Dass die Ukraine die Krim zurückerobert, hielten Experten in der Vergangenheit für unwahrscheinlich. Schliesslich hatte Russland seit der Annexion 2014 genug Zeit, die Insel aufzurüsten. Doch jetzt häufen sich Angriffe auf militärische Ziele an der Krim. Könnte die Ukraine bei ihrer Grossoffensive auch die Halbinsel zurückerobern wollen? Sollte das tatsächlich passieren, würde der russische Präsident Wladimir Putin (70) den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren, ist sich Kreml-Kenner Abbas Galljamow (50) sicher.
Galljamow war lange Zeit selbst im Kreml angestellt und schrieb die Reden für den Präsidenten. Heute weiss er, welche Schwachstellen Putin hat. Eine davon ist die Krim. «Der Verlust der Krim wäre der Todesstoss für Putin», sagt Galljamow in einem Interview mit dem ukrainischen Sender «24 Kanal».
Putin selbst hat aus der Krim etwas Heiliges gemacht», so der Politologe. «Aus russischer Perspektive ist die Krim die Wiege der russischen Orthodoxie und damit der russischen Kultur», sagte Osteuropaexperte Ulrich Schmid (56) im Dezember zu Blick. Verliert Putin die Krim, verliert er auch Glaubwürdigkeit in seinem Land, weiss Galljamow. Und das werde die Wahlen 2024 beeinflussen.
Putin verliert mit der Krim sein Gesicht
Galljamow ist sicher: «Die Enttäuschung wird so gross sein, dass es keinen Grund geben wird, für ihn zu stimmen. Es wird keinen offensichtlicheren Beweis für Putins Niederlage geben als der Verlust der Krim.» Die Angriffe auf Ziele in Sewastopol und anderen Städten auf der Krim nehmen zu – und das verunsichert auch die Bevölkerung. Vom «genialen Strategen», als welcher sich Putin gerne inszeniert, wäre nichts mehr übrig. Wozu sollte man ihn dann noch wählen?
In der Vergangenheit hat Russland immer wieder Wahlen gefälscht. Doch laut Galljamow würde eine zu offensichtliche Manipulation zu Putins Sturz führen. (jwg)