Auf einen Blick
- Korruptionsskandal in ukrainischer Brigade aufgedeckt. Vater-Sohn-Duo erpresste Soldaten
- Soldaten an Holzkreuze gefesselt und geschlagen
- Geldstrafen zwischen 100 und 450 Franken für Alkoholkonsum in die eigene Tasche gesteckt
Anfang Januar des vergangenen Jahres sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) der Korruption den Kampf an. «Die Gesellschaft wird alle Informationen bekommen und der Staat wird die notwendigen Schritte ergreifen», versprach Selenski in einer Videobotschaft. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt das Land auf Platz 104, hinter Ländern wie Äthiopien, Georgien oder Katar.
Während in der Regierung Köpfe rollten, ist Bestechlichkeit beispielsweise in der Armee noch immer ein grosses Problem. Dass unter anderem bei den Kommandanten nicht alles mit rechten Dingen zugeht, berichtet «Ukrainska Prawda» berichtet.
Familien-Filz in Ukraine-Brigade
Die schockierenden Zustände fielen auf, als ein Soldat der 211. Pontonbrückenbrigade am Morgen des 8. Juli 2024 in der Region Ternopil verschwand. Der Verschollene wurde völlig aufgelöst von zwei Beamten bei sich zu Hause gefunden. «Der Mann war in einem kritischen Zustand: dünn, blass, erschöpft, verängstigt», erinnert sich Tymofiy Ostafiytschuk, ein ehemaliger Militärpsychologe, gegenüber «Ukrainska Prawda». Der offensichtlich betrunkene Mann weigerte sich zunächst, mit den Behörden zu sprechen. «Dann begann er zu schreien, dass er nicht zur Einheit zurückkehren würde, weil er dort getötet würde, wenn er dem Sohn des Stabschefs kein Geld schicke.»
Die 211. Pontonbrückenbrigade besteht hauptsächlich aus Ingenieuren. Sie bauen Pontonbrücken und Verteidigungsstellungen, an Frontkämpfen nehmen sie nicht teil. Brisant: Innerhalb der Brigade gibt es auffällig viele familiäre Verflechtungen. Väter und Söhne, Ehemänner und -frauen arbeiten Seite an Seite. Normalerweise dienen Angehörige derselben Familie in unterschiedlichen Einheiten, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
Soldat an Holzkreuz gefesselt und geschlagen
Schnell stellte sich heraus, dass der geflohene Soldat Opfer von Wladislaw P.* wurde, dem damaligen Zugführer des ersten Bataillons der Brigade. Sein Vater Waleri fungierte als Stabschef. Ein klarer Verstoss gegen die Antikorruptionsgesetze in der Ukraine.
Wladislaw P. drohte den Soldaten, sie zur Infanterie zu versetzen, wenn sie ihm kein Geld zahlen würden. Regelmässig soll er seine Untergebenen auch misshandelt haben. Bilder, die «Ukrainska Prawda» veröffentlichte, zeigen den Zugführer vor einem an ein Holzkreuz gefesselten ukrainischen Soldaten. Diese Strafe bekam der Soldat dem Bericht zufolge, weil er Alkohol getrunken hatte. Wurden die Wehrdienstleistenden beim Konsum von Alkohol erwischt, wurden sie geschlagen. Zudem mussten sie den beiden umgerechnet zwischen 100 und 450 Franken zahlen. Eigentlich hätte das Vater-Sohn-Duo das so erlangte Geld an die Armee weitergeben müssen, was sie nicht taten.
Jetzt, wo der Skandal publik wurde, wurde Wladislaw P. in eine andere Einheit versetzt. Sein Vater bezahlte den betroffenen Soldaten eine Entschädigung. Ein Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 731 Franken zunächst eingestellt, Armeechef Oleksandr Sirski (59) ordnete nun allerdings eine neue Untersuchung an, wie ukrainische Medien berichteten.
* Name bekannt