Jetzt packen Putins jemenitische Söldner aus
«Wurden gezwungen, Verträge zu unterschreiben»

Moskau lockt Kämpfer aus dem Jemen an die Front in der Ukraine. Versprechen von hohem Salär und dem russischen Pass werden aber offenbar nicht eingelöst. Bei den Söldnern herrscht Verzweiflung.
Publiziert: 06.12.2024 um 18:26 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2024 um 10:52 Uhr
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Russlands Präsident Wladimir Putin braucht Kanonenfutter für seinen Feldzug.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Russland setzt auf Jemeniten als Söldner in der Ukraine
  • Rekruten fühlten sich betrogen, wurden geschlagen und mit dem Tod bedroht
  • Monatsgehalt von 116 Franken statt versprochener 2200 Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Immer wieder setzt Russland bei seiner Invasion in der Ukraine auch ausländische Kämpfer ein. Einen fairen Umgang erleben die Söldner, die immerhin ihr Leben aufs Spiel setzen und meist als Kanonenfutter enden, dabei selten. Das zeigt auch das Beispiel einiger Jemeniten, über die «Le Temps» berichtet.

Journalisten der Westschweizer Zeitung konnten ein jemenitisch-omanisches Netzwerk ausfindig machen, über das seit diesem Sommer mindestens 200 Männer nach Moskau geschickt wurden. Manche der Männer sagten, sie hätten auf Stellenangebote reagiert, die nichts mit dem Krieg zu tun hatten. Versprochen wurde ihnen ein monatliches Gehalt von umgerechnet knapp 2200 Franken. Zum Vergleich: Das Durchschnittsgehalt im Jemen liegt bei knapp 580 Franken. Bei Vertragsunterzeichnung wurde den Männern zudem ein Bonus in Höhe von umgerechnet 8760 Franken und die Aussicht auf den russischen Pass angeboten.

Hinter den Deals mit den Russen steckt den Recherchen zufolge eine Person, die gute Verbindungen zu den Huthi-Rebellen unterhält: Abdulwali Abdo Hassan al-Jabri, Mitglied der Partei Allgemeiner Volkskongress (GPC). Er soll vor kurzem auch das Kommando über eine Militärbrigade der Miliz übernommen haben. Er hat auf Anfrage von «Le Temps» zugegeben, «in nur einem Monat 200 Menschen nach Russland geschickt zu haben, um dort der russischen Armee beizutreten». Der Politiker sagt aber auch: «Wir haben die Abstimmung mit dem russischen Verteidigungsministerium eingestellt, weil sie nicht das zahlten, was wir zuvor ausgehandelt hatten.»

Die Angeworbenen für Putins Angriffskrieg setzen sich zusammen aus jemenitischen Arbeitern, die im Oman unter prekären Bedingungen schuften, und Männern aus den von den Huthis kontrollierten Gebieten im Jemen. Sie fühlen sich betrogen, wie einer der Betroffenen aus einem Militärspital nahe der von Russland besetzten Stadt Tokmak, rund 22 Kilometer von der Frontlinie entfernt, berichtet. Er hat sich gemeinsam mit einem anderen jemenitischen Kameraden in den Arm geschossen, um dem Fleischwolf zu entkommen.

Knebelvertrag: Kriegssalär von 116 Franken pro Monat

«Ich wurde von der Firma Al-Jabri mit Sitz im Oman manipuliert. Ich war damals wie viele andere hier Student in einem asiatischen Land, und wir wollten nur für den Lebensunterhalt unserer Familien sorgen», so der Rekrut. Ihnen sei ein ziviler Job in der Sicherheitsbranche angeboten worden. Er bestätigt die Angaben zu Gehalt und Pass.

Der Empfang in Moskau war rau. «Sobald wir in Russland ankamen, brachte uns eine bewaffnete Gruppe in einen Wald, wo wir gezwungen wurden, Verträge zu unterschreiben. Anschliessend wurden wir zu Militärstützpunkten, insbesondere in Rostow, geschickt, bevor wir an der ukrainischen Front eingesetzt wurden», erzählt er. Die Verträge, die der Jemenit und seine Landsleute unterschrieben haben, enthalten deutlich schlechtere Konditionen, als die, die ihnen in ihrer Heimat versprochen wurden. Konkret: Der Kriegsdienst wird mit mickrigen 116 Franken monatlich entlohnt.

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Ihr Protest gegen die Verträge wurde schnell zum Verstummen gebracht. «Wir lehnten die Teilnahme an diesen Operationen kategorisch ab und äusserten den Wunsch, in unser Herkunftsland zurückzukehren. Als Reaktion darauf wurden wir geschlagen und mit dem Tode bedroht.»

Jemeniten werden an der Front verheizt

Dem jungen Mann zufolge sind bereits acht seiner Kameraden getötet worden, zwölf weitere sind vermisst. «Wir wissen nicht, ob sie leben oder tot sind. Eines Tages luden die Russen sie in drei gepanzerte Fahrzeuge und führten sie in die Schlacht, ohne dass sie wussten, wohin sie fuhren.»

Ein anderer Jemenit wurde an der Front verletzt. Ihm hatte man versprochen, er solle als Sicherheitsmann in einem Einkaufszentrum arbeiten. «Ich war fassungslos, mitten in diesem Krieg zu landen», sagt er. «Einige Kameraden begannen einen Hungerstreik, aber niemand reagierte. Wir haben mit unserem Leben gespielt.»

Die beiden Söldner sind verzweifelt. «Wenn keine Lösung gefunden wird, denken wir darüber nach, unserem Leben ein Ende zu setzen.»

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