Konzentriert sich die Privatarmee auf lukrativere Einsätze in Afrika?
Wagner-Söldner ziehen sich aus der Ukraine zurück

Die russische Wagner-Privatarmee will offenbar die Ukraine vorübergehend verlassen, um sich auszuruhen und neu zu formieren. Es könnte aber ein definitiver Rückzug aus dem Krieg werden. Denn in Afrika winken lukrativere Geschäfte.
Publiziert: 23.05.2023 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2023 um 14:13 Uhr
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Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin posiert mit Soldaten vor Bachmut.
Foto: keystone-sda.ch
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Guido FelderAusland-Redaktor

Es ist eine Hammer-Nachricht von der Kriegsfront: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (61) hat offenbar angekündigt, seine Söldnertruppen ab dem 1. Juni von der ganzen Frontlinie in der Ukraine abzuziehen. Das berichtet das stets gut informierte Institute for the Study of War (ISW).

Der Abzug soll dazu dienen, den erschöpften Truppen eine Pause zu gönnen sowie sie zu trainieren und neu zu formieren. In zwei Monaten wolle die Gruppe wieder in den Krieg eingreifen. Eroberte Regionen wie etwa die Stadt Bachmut will Wagner am Donnerstag der offiziellen russischen Armee überlassen.

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Kommen die Wagner-Truppen, die sich zu einem Grossteil aus verurteilten Kriminellen zusammensetzen, wirklich wieder zurück oder ist es ein definitiver Abzug durch die Hintertür? Tatsache ist, dass die russischen Invasoren in der Ukraine auf nie erwarteten Widerstand gestossen sind und kaum Fortschritte mehr erzielen.

Zudem steht die grosse Gegenoffensive der mit westlichen Waffen aufgerüsteten ukrainischen Armee bevor. Seit Kriegsbeginn sind laut Schätzungen weit über 30'000 Wagner-Angehörige getötet oder verwundet worden.

«Gesichtswahrender Rückzug»

Russland-Experte Ulrich Schmid (57) von der Uni St. Gallen glaubt, dass die Wagner-Gruppe nicht mehr in die Ukraine zurückkehrt. «Das Wagner-Modell ist an ein Ende gekommen», sagt er. Prigoschin habe versucht, seine eigenen Ambitionen durch militärische Erfolge zu stützen.

Die Bilanz sei ernüchternd, sagt Schmid. «Der Blutzoll der Wagner-Gruppe ist enorm hoch, die strategische Bedeutung der Geländegewinne gering. Die Rekrutierung in den Gefängnissen wird mittlerweile durch die Armee konkurrenziert.»

Zudem gebe es einen prekären Deal zwischen Wagner und dem russischen Verteidigungsministerium: Wagner setzt seine Kämpfer für gefährliche Missionen ein, das Verteidigungsministerium liefert Waffen und Munition, die aber in letzter Zeit ausblieben. Beim Kampf um Einfluss und die Kommandohoheit scheine das Verteidigungsministerium gegen Wagner die Oberhand zu gewinnen. Schmid meint: «Prigoschin kann sich mit dem ‹Sieg› in Bachmut gesichtswahrend zurückziehen.»

Volle Aggression in Afrika?

Mit dem Rückzug aus der Ukraine kann sich Prigoschin mit seinen Truppen auf die Einsätze in rund einem Dutzend afrikanischer Länder konzentrieren. Wagner unterhält laufende Operationen unter anderem in Libyen, Burkina Faso, Mali, Sudan, Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik. Der französische Präsident Emmanuel Macron (45) bezeichnete die Wagner-Gruppe vor kurzem als «Lebensversicherung für scheiternde Regimes in Afrika».

In Staaten, die auf sich alleine gestellt sind und von fragilen Regierungen geführt werden, ist es einfacher, Einfluss auf die politische Macht auszuüben und sich lukrative Rechte auf Gold- und Diamantenminen zu sichern.

Zudem haben die Einsätze in Afrika ein weiteres Ziel. Colin P. Clarke vom Foreign Policy Research Institute in Philadelphia schreibt in einem Beitrag: «Der Zugang zu Rohstoffen hilft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, sich den erdrückenden westlichen Sanktionen zu entziehen.»

Die Frage ist, wie der russische Präsident Wladimir Putin (70) das Vakuum der Wagner-Gruppe füllen will. Im vergangenen Monat legte das britische Verteidigungsministerium ein Geheimdienst-Update vor. Aus dem ging hervor, dass «Russland wahrscheinlich versucht, alternative private Militärfirmen zu sponsern und zu entwickeln, um die Wagner-Gruppe in ihrer bedeutenden Kampfrolle in der Ukraine zu ersetzen».

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