Eine Woche dauerte die Suche nach einem Nachfolger an. Jetzt ist klar, wer der neue Hamas-Chef ist. Die radikalislamische Palästinenserorganisation hat Jahja Sinwar (61) zum neuen Führer ernannt. Vergangenen Mittwoch war der frühere Hamas-Chef Ismail Hanija (†62) bei einem Anschlag im Iran getötet worden. Er war für die Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian (69) extra nach Teheran gereist.
Nun übernimmt Sinwar. Experten zufolge könnte Sinwar einem Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen abweisender gegenüberstehen als sein Vorgänger Hanija. Denn: Der 61-Jährige gilt als Drahtzieher des blutigen Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober, was ihn zu einem der meistgesuchten Köpfe der Palästinenserorganisation macht. Beim Angriff waren israelischen Angaben zufolge 1198 Menschen getötet und 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden.
Als Reaktion auf den Überfall geht Israel seither massiv militärisch gegen Ziele im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39'650 Menschen getötet. Ob es sich dabei um Zivilisten oder Hamas-Kämpfer handelt, wird nicht angegeben.
Seine Karriere verlief lange im Verborgenen
Seit dem 7. Oktober ist Sinwar nicht mehr öffentlich aufgetreten. Er wird in einem Tunnelsystem unter dem Gazastreifen vermutet. Israels Verteidigungsminister Joav Gallant (65) hatte Anfang November beteuert: «Wir werden Sinwar finden und ihn eliminieren.»
Der aus dem Flüchtlingslager Chan Junis stammende Sinwar schloss sich der Hamas bei ihrer Gründung 1987 zu Zeiten der ersten Intifada an – dem palästinensischen Aufstand gegen die israelische Besatzung. Seine Karriere in der radikalen Palästinenserorganisation verlief lange im Verborgenen. Mit 25 Jahren leitete er bereits jene Hamas-Einheit, die Palästinenser bestrafte, die mit den Israelis zusammenarbeiteten.
Er kam durch einen Gefangenenaustausch frei
Wegen der Tötung zweier israelischer Soldaten wurde er viermal zu lebenslanger Haft verurteilt. Insgesamt sass Sinwar 23 Jahre in Israel im Gefängnis. 2011 kam er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei. Bereits seit Jahren steht Sinwar auf der US-Terrorliste.
2017 wählte die Hamas Sinwar zu ihrem Anführer im Gazastreifen, nachdem sein Vorgänger Hanija Chef der Organisation wurde und den Gazastreifen verlassen hatte. Jetzt ist Hanija tot und Sinwar der neue Anführer.
«Zwingender Grund, ihn schnell zu eliminieren»
Minuten nach seiner Ankündigung als neuer Hamas-Chef feuerte der bewaffnete Arm der Terror-Gruppe, die Essedin-al-Kassam-Brigade, laut eigenen Angaben eine Salve von Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab.
Die mit der Hamas verbündete libanesische Hisbollah-Miliz gratulierte Sinwar zur Ernennung. Sie zeige, dass «der Feind (...) seine Ziele nicht erreicht hat», teilte sie mit.
Der israelische Aussenminister Israel Katz (68) erklärte auf X, die Ernennung Sinwars sei «ein weiterer zwingender Grund, ihn schnell zu eliminieren und diese abscheuliche Organisation von der Landkarte zu tilgen».