Auf einen Blick
- Mutmasslicher Mörder von CEO-Thompson in Haft
- Luigi Mangione (26) wird als Held gefeiert
- Täter-Outfit ausverkauft und Fan-Artikel auf Amazon
- Umfrage: 81 Prozent der Befragten unzufrieden mit Kosten für medizinische Versorgung
Quasi über Nacht wurde Luigi Mangione (26) weltberühmt. Mit der Erschiessung des Chefs des US-Versicherers United Healthcare, Brian Thompson (†50), in New York hat er sich für viele schnell zum Helden gemausert und wird im Internet bereits als «Robin Hood» des 21. Jahrhunderts gefeiert.
Das Entsetzen über die Tat weicht der geballten Wut vieler Menschen auf das amerikanische Gesundheitssystem und die Versicherungsbranche in den USA. Mittlerweile greift die Bewunderung so tief, dass Menschen Geld für die Verteidigung Mangiones spenden. Wie der Spendenwebseite «Give Send Go» zu entnehmen ist, gingen bereits über 45'000 Dollar ein. In einem Statement heisst es: «Wir sind nicht hier, um Gewalt zu zelebrieren. Wir glauben aber an eine faire rechtliche Vertretung.» Andere decken sich mit Kleidung ein, um auszusehen wie Mangione, oder kaufen Souvenirs, um ihre Solidarität zu bekunden.
Täter-Outfit ausverkauft
Auf den Fotos aus der Tatnacht trägt Mangione eine olivgrüne Jacke mit Kapuze und auffälligen Brusttaschen. Wie zum Beispiel das US-Portal TMZ, schreibt, «fliege die Jacke nur so aus den Regalen» bei Anbietern, die eine solche Jacke im Sortiment führen. Bei Levis zum Beispiel.
Auf der Onlineplattform von Macy's wird auch aufgelistet, wie oft ein bestimmtes Produkt in letzter Zeit verkauft wurde. Die Jacke sei innert 48 Stunden über 700-mal bestellt worden, heisst es dort. Mittlerweile ist sie nicht mehr verfügbar.
Beim blossen Kauf der Killer-Requisiten bleibe es Berichten zufolge aber nicht. Wie das Lifestyle-Magazin «GQ» schreibt, hat im Washington Square Park in Manhattan ein «Attentäter-Doppelgänger-Wettbewerb» stattgefunden. Die Teilnehmer versuchten also bei dem Treffen, möglichst ähnlich auszusehen wie der CEO-Killer.
Fan-Artikel auf Amazon
Mit jedem neuen Detail, das zu Mangione oder seiner Tat publik wird, erscheinen neue Gadgets, mehr Souvenirs und Krimskrams auf dem Markt. Als öffentlich wurde, dass auf den in der Nähe des Tatorts gefundenen Munitionshülsen die Worte «deny», «defend» und «depose» standen, dauerte es nicht lange, bis auf Amazon zahlreiche Produkte mit ebendiesen Aufschriften auftauchten, wie die «Washington Post» berichtete. Mit diesen Worten beschreiben Versicherungskritiker die Strategie der Firmen.
Die englischen Worte für «abstreiten», «verteidigen», und «absetzen» prangten also auf Mützen, T-Shirts, Schnaps- und Weingläsern. Nachdem die Zeitung das Unternehmen damit konfrontiert hatte, verschwanden die Fan-Artikel wieder von der Seite.
Der grosse Hype
Die Polizei äusserte die Befürchtung, dass Luigi M. als «Märtyrer und Vorbild» gefeiert werden und Nachahmer inspirieren könnte. Der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro (51), warnte davor, den Täter zu glorifizieren, und bezeichnete die Aufmerksamkeit in dem Fall, vor allem im Internet, als «zutiefst beunruhigend, da einige den Mörder feiern wollten, anstatt ihn zu verurteilen».
Das Netz folgt eigenen Gesetzmässigkeiten, wenn es darum geht, was zu einem Hype wird. Schnell werden Ereignisse, Personen und Narrative in kürzester Zeit populär, entwickeln eine Eigendynamik, unabhängig davon, wie sie in der analogen Welt wahrgenommen werden.
Dennoch hat die Tötung des Versicherungschefs die USA nicht nur aufgewühlt, sondern auch die Verzweiflung über das Gesundheitssystem offengelegt. Eine Debatte entbrannte. Woher kommt die Wut?
Enorme Kosten für Behandlungen
Das Gesundheitssystem ist stark privatwirtschaftlich organisiert. Spitäler und Versicherungen in den USA sind grösstenteils in privater Hand. Angebot und Nachfrage spielen eine zentrale Rolle.
Es gibt keine allgemeine, staatlich organisierte Krankenversicherung wie in vielen europäischen Ländern. Stattdessen basiert das System auf einem Mix aus privaten Versicherungen und öffentlichen Programmen für bestimmte Bevölkerungsgruppen.
Die USA haben dem Gesundheitsdaten-Tracker Peterson-KFF zufolge die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit weltweit. Dies liegt an hohen Medikamentenpreisen, Arzthonoraren und Verwaltungskosten.
Einen Nerv getroffen
Auch wenn die Ermittlungen andauern: Es deutet sich an, dass der mutmassliche Schütze – ein Absolvent einer Eliteuni und Sohn einer wohlhabenden Familie – es mit seiner Tat gezielt auf die Versicherungsbranche abgesehen hat. Bei einigen hat er damit offenbar einen Nerv getroffen. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Gallup zufolge sind 81 Prozent der Befragten unzufrieden mit den Kosten für die medizinische Versorgung in den USA.