Georgien entscheidet sich für Russland – Warum das Resultat für Europa eine Bedrohung ist
Jetzt bekommt Putin erst recht Lust auf mehr

EU-Beitrittskandidat Georgien hat ein Bekenntnis für Russland abgelegt. Beobachter sprechen allerdings von Manipulation. Doch so oder so: Das Wahlresultat sendet ein bedrohliches Signal zu uns. Experten erklären, warum.
Publiziert: 28.10.2024 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2024 um 15:06 Uhr
Anhänger der prorussischen Partei «Georgischer Traum» bejubeln das Wahlresultat, das das Land näher an Russland rückt.
Foto: IMAGO/SNA

Auf einen Blick

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Guido FelderAusland-Redaktor

Im Osten Europas wächst eine neue Gefahr heran, die auch uns bedroht. Nach der Invasion in die Ukraine unternimmt Moskau laut Beobachtern alles, um Wahlen in ehemaligen Sowjetstaaten zu manipulieren. So haben am Sonntag in Georgien die prorussischen Kräfte die Wahlen gewonnen. Wie schon vor einer Woche in der Republik Moldau ist für die Wahlbeobachter klar: Hier hat der Kreml massiv manipuliert.

Doch nicht nur ehemalige Sowjetstaaten sind von der Einmischung aus Russland betroffen. Experten sind überzeugt, dass auch EU- und Nato-Staaten vermehrt ins Visier des Kremls geraten werden. Blick sagt, was wir zu erwarten haben.

Warum hat Georgien prorussisch gewählt?

Eigentlich war für Georgien und auch die Republik Moldau der EU-Kurs vorgespurt: Beide Länder hatten Ende 2023 den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Die Wahlen in Georgien führen nun aber in die entgegengesetzte Richtung: Am Sonntag gewannen die prorussischen Kräfte. Und vor einer Woche hatte es in der Moldau zur EU-Frage unerwartet nur eine knappe Mehrheit gegeben.

In beiden Staaten geht man von einer massiven Manipulation Russlands und einem «gefälschten» Resultat aus. Die Rede ist von Stimmenkauf, Einschüchterung der Wähler, Drohung mit Invasionsszenario, Mehrfachabstimmungen und Gewalt gegen Wahlbeobachter.

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Kurz vor den Wahlen kam es in Georgien zu Kundgebungen von proeuropäischen Gruppierungen.
Foto: IMAGO/SNA

Warum sind diese Wahlen für uns so wichtig?

Ulrich Schmid (59), Russland-Experte an der Universität St. Gallen, findet klare Worte: «Wie uns der Ukrainekrieg zeigt, können uns die Verhältnisse in diesen Ländern nicht egal sein. Sie haben einen direkten Einfluss auf unsere Sicherheit!» Grund: Der Erfolg des Kremls bei den Wahlen in zwei EU-Beitrittskandidaten dürfte bei Putin den Hunger nach mehr schüren.

Für Osteuropa-Beobachter steht darum fest, dass es Putin nicht nur auf ehemalige Sowjetstaaten abgesehen hat. Fabian Burkhardt (40), Politikwissenschaftler am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg (D), sagt gegenüber Blick: «Die immer aggressiver werdenden Strategien und Mittel Russlands beschränken sich bei weitem nicht auf Wahlen in der östlichen Nachbarschaft der EU, sondern richten sich auch vermehrt auf Mitgliedstaaten der EU und der Nato.»

Der Kreml operiere in Europa immer stärker mit Desinformationskampagnen in den sozialen Medien, Cyberattacken, Stimmen- und Politikerkauf bis hin zu Sabotage.

Russlands wichtigste Ziele bestünden darin, die finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine zu stoppen, die westlichen Sanktionen zu verhindern sowie ganz generell den Wert von Demokratie und Freiheit zu untergraben.

In welchen weiteren europäischen Ländern wächst Putins Einfluss?

Es sind zwei Staaten, die enge Bande zum Kreml unterhalten: Ungarn und Serbien mit Ministerpräsident Viktor Orban (61) und Präsident Aleksandar Vucic (54). Beide Länder sind von russischem Öl und Gas abhängig.

Ulf Brunnbauer (54), Historiker und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung: «Das grössere Problem liegt darin, dass in Serbien die Bevölkerung sehr prorussisch und daher anfällig für russische Propaganda ist, während in Ungarn der Regierungschef selbst eine ideologische Sympathie für Putin hegt und es geschafft hat, die Ukraine als Aggressor hinzustellen.»

Brunnbauer relativiert aber, dass Russlands Einfluss bisher nicht so gross sei, wie der Kreml immer behaupte. Und Schmid ergänzt: «Orban weiss genau, dass Ungarn von der EU profitiert, weshalb ein Austritt kein Thema ist. Vucic weiss ebenfalls, dass der serbische Handel mit der EU ungleich wichtiger ist als der Handel mit Russland.»

Warum macht die EU eine schlechte Falle?

Burkhardts Urteil über den Umgang der EU mit den Beitrittskandidaten Georgien und Moldau ist negativ: «Die EU bleibt blass.» Ihre langwierigen Beitrittsverhandlungen mit unbestimmter zeitlicher Perspektive träfen auf brennende innenpolitische Problemthemen wie Sicherheit, Wirtschaft und demografische Entwicklung. Burkhardt: «Obwohl die EU auch ein geopolitischer Akteur in der Region sein will, kann und will sie offensichtlich keine harte Sicherheitspolitik machen. Das lässt die Bedrohung durch Russland umso konkreter werden.»

Russland habe nach anfänglichen Rückschlägen im Ukraine-Krieg wieder aufgeholt und wolle sogar einzelne ehemalige Sowjetstaaten wie möglicherweise Georgien wieder zurück in seinen Orbit holen, sagt Burkhardt. Er warnt: «Diese Situation könnte sich in den nächsten Monaten und Jahren sehr dynamisch zuungunsten der EU entwickeln.»

Wie können wir uns gegen Putin wehren?

Die Experten plädieren dafür, mit Sanktionen gegen die Verletzung von Grundwerten wie der Demokratie vorzugehen. Und Brunnbauer beruhigt: «Die russischen Ressourcen sind beschränkt. Und je widerstandsfähiger und demokratischer unsere Gesellschaften sind, desto weniger greifen auch die russischen Einflussversuche, ob bei Wahlen oder ganz allgemein.»

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