Er ist mächtig, reist in einer Schlüsselfunktion um die Welt und fällt mit Wut-Tiraden gegen den Westen auf. Doch so richtig kennen tut ihn hierzulande niemand. Die Rede ist von Nikolai Patruschew (71), dem russischen Sicherheitsberater und langjährigen engen Vertrauter von Kreml-Chef Wladimir Putin (70).
Der Experte für die Innenpolitik Russlands von der US-Denkfabrik Carnegie, Andrei Kolesnikow, sagt laut dem deutschen Nachrichtenportal «Welt»: «Patruschew ist derjenige, dem es erlaubt ist, Putin Gedanken zu erklären.» Ganz im Gegensatz zum russischen Aussenminister Sergej Lawrow (72), der Mutmassungen über Putins Wünsche anstellen müsse, denn er sei nicht eingeweiht. Was bemerkenswert ist, kennt man Lawrow doch rund um den Globus. «Diplomaten wissen nicht, was Putin will – anders als Patruschew», so Kolesnikow.
Er spielt mit dem Groll postkolonialer Staaten
Der britische Russlandexperte Mark Galeotti (58) nennt Patruschew einen «Teufel, der auf Putins Schulter sitzt und Gift speit». Dieses Gift ist sinnbildlich zu verstehen: Erst vor wenigen Tagen liess er bei einem Besuch im nordafrikanischen Algerien verlauten, der Westen beschwöre «alte Kolonialismus-Methoden», wenn er «unliebsame Staaten» erwürge. Und eben dieser Westen sei dank sowjetischer Bemühungen kollabiert. Will heissen: Patruschew spielt gekonnt mit dem Groll der postkolonialen Staaten.
Solche Statements sind keine Seltenheit. Beständig hat er über die Jahre dieses Narrativ auf Pressekonferenzen und in Zeitungsinterviews ausgeschöpft – zuletzt bei einem Besuch gegenüber dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro (60). Somit betreibt Patruschew eine Art parallele Aussenpolitik. Nicht unwesentlich, bedenkt man, dass Lawrows Aussenpolitik seit dem Ukrainekrieg als eine Art Fassade wahrgenommen wird. Vor allem von Bedeutung in einer Zeit, in der viele Staaten zwischen der Solidarität mit der Ukraine und der Sympathie für Russland schwanken.
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Was Nikolai Patruschew so gefährlich macht, ist die Tatsache, dass er die Erwartungen der südlichen Weltgemeinschaft erfüllt: Er gibt ihr einen Einblick in die russische Machtpolitik und in antiwestliche, insbesondere antiamerikanische Ressentiments. Das tut er indes so überzeugend, dass er sogar schon als Putins Nachfolger oder dessen Vertreter im Falle einer Krankheit gehandelt worden ist. (tva)