Gas- und Strompreis-Wahnsinn in den Metropolen
Wie gut steht die Schweiz im Europavergleich da?

Der Strompreis steigt 2023 in der Schweiz um 27 Prozent. Für Gas müssen Haushalte jetzt schon durchschnittlich 70 Prozent mehr bezahlen. Auch in unseren Nachbarländern steigt die Kosten-Kurve steil nach oben. Blick zeigt, wo der Preishammer am heftigsten zuschlägt.
Publiziert: 07.09.2022 um 19:30 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2022 um 10:01 Uhr
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Bis auf Weiteres stillgelegt: Anlage der Nord-Stream-1-Pipeline im deutschen Lubmin.
Foto: keystone-sda.ch
Georg Nopper

Die Preise für Strom und Gas schnellen in die Höhe. Der Grund ist in erster Linie, dass der russische Präsident Wladimir Putin (69) Europa den Gashahn zugedreht hat. Weil – wie etwa in Deutschland – ein bedeutender Teil der benötigten Elektrizität mithilfe von Gas produziert wird, sind Strom- und Gaspreise eng miteinander verknüpft.

Der Strompreis in der Schweiz wird laut Berechnungen der Elektrizitätskommission (Elcom) 2023 um durchschnittlich 27 Prozent ansteigen. Für Gas bezahlen wir im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt schon heute satte 70 Prozent mehr. Auch im umliegenden Ausland ist die Situation teils dramatisch. Dies zeigen Daten des Household Energy Price Index (HEPI), der die Strom- und Gaskosten für Haushalte in 33 europäischen Hauptstädten vergleicht.

Höchstpreise in London und Amsterdam

Am meisten bezahlen demnach Haushalte in London für ihren Strom: Sie belaufen sich in der britischen Hauptstadt per 1. August 2022 auf 0,64 Euro pro Kilowattstunde. Es kommt immer wieder zu Demonstrationen gegen die hohen Strompreise – und viele Einwohner weigern sich, ihre Rechnungen zu bezahlen.

Auch Bern wird in der HEPI-Liste aufgeführt. Die Schweizer Hauptstadt steht mit 0,22 Euro zum Erhebungszeitpunkt an 21. Stelle. Am zweitmeisten in der Rangliste der europäischen Hauptstädte zahlen Haushalte im dänischen Kopenhagen (0,55 Euro/kWh) für die Elektrizität, am drittmeisten in Rom (0,54 Euro/kWh).

Der Gasverbrauch schlägt per 1. August mit 0,34 Euro/kWh in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam am meisten zu Buche. An zweiter Stelle rangiert auch beim Gas Kopenhagen (0,31 Euro/kWh), auf Rang drei folgt die schwedische Hauptstadt Stockholm (0,24 Euro/kWh), Bern steht mit einem damaligen Gaspreis von 0,18 Euro/kWh an 13. Stelle.

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Dramatischer Kostenanstieg in Athen und Brüssel

Wie die HEPI-Daten zeigen, steigen die Preiskurven sowohl bei der Elektrizität wie auch beim Gas steil nach oben. Bereits 2021 hat sich der Gaspreis in Europa fast verdoppelt. Der Grund war damals, dass die Industrie mit dem Abklingen der Corona-Krise einen erhöhten Bedarf hatte. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der Verhängung der westlichen Sanktionen gegen Russland spitzt sich die Problematik weiter zu – und angesichts der weltpolitischen Lage ist unklar, wann ein Abflauen der Kurve zu erwarten ist.

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Die neusten Zahlen vom August zeigen: Die Preise für Strom und Gas steigen weiterhin dramatisch. Besonders stark war der monatliche Preisanstieg per 1. August in Griechenland und Belgien. In der griechischen Hauptstadt Athen stiegen die Stromkosten innerhalb eines Monats um satte 34 Prozent. In der belgischen Hauptstadt waren es im gleichen Zeitraum 26 Prozent.

Auch vom monatlichen Anstieg bei den Gaskosten sind die beiden Metropolen mit am stärksten betroffen: Sie stehen bei dieser Rangliste mit einem Plus von 41 resp. 39 Prozent auf Platz zwei (Athen) und drei (Brüssel). Am meisten erhöht wurde der Gaspreis mit 45 Prozent in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

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Nord Stream 1 steht inzwischen still

Während Anfang August noch etwa 20 Prozent der maximal möglichen Menge über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland geliefert wurde, fliesst auf diesem Weg inzwischen gar kein Gas mehr nach Westen. Mit anderen Worten: Die Preise werden weiter steigen.

Dabei sind die Folgen für Privathaushalte schon heute dramatisch. Das zeigt sich zum Beispiel in Deutschland. Das Land liegt bei den HEPI-Ranglisten mit den höchsten Strom- und Gaspreisen ebenfalls weit vorne. So bezahlt ein Haushalt in Berlin Stand 1. August für Strom 0,44 Euro/kWh (Platz 6). Beim Gas sind es 0,22 Euro/kWh (Platz vier).

Gas mehr als dreimal teurer in Deutschland

Der deutsche Vergleichsdienst Verifox rechnet vor, welche Mehrkosten die Preisanstiege bedeuten: Als Beispiel dient ein Einfamilienhaus mit einem jährlichen Gasverbrauch von 20'000 kWh. Zum Berechnungszeitpunkt am 23. August schlägt dies auf Grundlage der bundesweiten Durchschnittskosten mit 4'263 Euro zu Buche. Ein Jahr früher lagen die Durchschnittskosten noch bei 1'257 Euro. Das mehr als eine Verdreifachung und bedeutet Mehrkosten von 3'006 Euro. Der Preisanstieg beträgt 239 Prozent.

Thorsten Storck, Energie-Experte bei Verivox: «Die Auswirkungen der Gaskrise treffen die Haushalte hart. Die höheren Ausgaben für Gas fehlen dann an anderer Stelle und können zu Überschuldung führen.» Ab Oktober werde sich die Lage noch verschärfen. «Dann wird zwar die Mehrwertsteuer auf Erdgas auf 7 Prozent abgesenkt, gleichzeitig treten aber eine Reihe von Umlagen in Kraft», sagt Storck.

Neue Abgaben machen Erleichterungen zunichte

Die deutsche Bundesregierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz (64) hat Anfang August die sogenannte Gasbeschaffungsumlage beschlossen. Das bedeutet ab Oktober bei einem Verbrauch von 20'000 kWh Mehrkosten von 484 Euro. Dazu kommt noch eine sogenannte Gasspeicherumlage von 12 Euro. Zusätzlich werden die sogenannten Regelenergie- und Konvertierungsumlagen erhöht. «Die Steuersenkung kann die höheren Kosten nicht ausgleichen», stellt Storck klar. Berücksichtigt man nämlich die Umlagen und die reduzierte Mehrwertsteuer, liegt der Kostenanstieg im Jahresvergleich sogar bei 257 Prozent.

Auch der Anstieg der Stromkosten schlägt in Deutschland schwer aufs Budget. Storck geht zudem von weiteren Preissteigerungen aus. Zuletzt lagen die Stromkosten für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4'000 kWh in Deutschland durchschnittlich bei 1'832 Euro. Vor 12 Monaten lag der Durchschnittspreis noch bei 1'213 Euro. Die jährlichen Kosten sind damit um 620 Euro oder 51 Prozent angestiegen.

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