So kam es zum Debakel
Darum machen Stromriesen Übergewinne

Was die Schweiz in den nächsten Monaten an Strom produziert, ist zum Grossteil längstens verkauft. Was fehlt, wurde vor Jahren verplant. Es wurde zu wenig Energie zugebaut. Und jetzt wollen die Unternehmen absahnen.
Publiziert: 05.09.2022 um 20:50 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2022 um 14:18 Uhr
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Die Stromkonzerne machen heute riesige Gewinne.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) sieht die Kantone, Städte und Gemeinden in der Verantwortung, wie sie auf Blick TV sagte. Ihnen gehören die Elektrizitätsunternehmen, die aktuell mit dem Strom, den sie auf dem freien Markt verkaufen, Rekordpreise erzielen, während ihre Bürgerinnen und Bürger unter den hohen Energiepreisen leiden.

Und das Verständnis für die Situation wächst nicht, wenn der Walliser Regierungsrat Roberto Schmidt (60, Mitte) in seiner neuen Funktion als Präsident der kantonalen Energiedirektoren im SonntagsBlick darauf verweist, die Stromproduzenten hätten in den vergangenen Jahren die Elektrizität ja teils mit Verlusten verkaufen müssen. Also quasi sagt, dass es nur gerecht sei, wenn die Stromkonzerne jetzt viel zu hohe Erträge erzielten.

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Mister Atomausstieg

Schmidts Aussagen haben ein besonderes Gewicht – aber nicht, weil er seit Ende August den Energiedirektoren vorsteht. Sondern, weil der Walliser massgeblich für die heutige Energiesituation verantwortlich ist. In seiner Zeit als Nationalrat war es nämlich Schmidt, der am 14. April 2011 im eidgenössischen Parlament den Vorstoss zum schrittweisen Atomausstieg einreichte. Unter der Führung seiner damaligen Energieministerin Doris Leuthard (59, Mitte) folgte ihm der Gesamtbundesrat – und mit der Energiestrategie 2050 auch die Schweizer Stimmbevölkerung.

Jetzt aber verlangt diese, dass der Staat die überhöhten Strompreise abfedert: In einer Online-Umfrage auf Blick.ch haben sich von mehr als 18'100 Abstimmenden 87 Prozent dafür ausgesprochen, dass die Behörden gegen die Preise vorgehen müssen (Stand Montagabend). Das klare Verdikt der Bevölkerung dürfte Mister Atomausstieg Roberto Schmidt nicht kaltlassen.

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Übergewinne wegnehmen

Zugutehalten muss man dem Walliser, dass er nicht nur die überhöhten Gewinne der Stromriesen verteidigt, sondern auch sieht, dass es nicht verstanden würde, wenn die Konzerne nun hohe Dividenden auszahlten. Schmidt spricht sich dafür aus, dass die Energiefirmen in erneuerbare Energie investieren müssen. Denn jahrelang wurde viel zu wenig Fotovoltaik-, Wasser- und Windenergie zugebaut.

Der heutigen Energieministerin Sommaruga und ihrer Sozialdemokratischen Partei reicht das aber nicht. Sie will den Stromkonzernen einen Teil ihrer Übergewinne wegnehmen und diese den Geringverdienern geben.

Wäre es aber nicht einfacher, wenn die öffentliche Hand dafür sorgte, dass gar keine überrissenen Gewinne entstehen? Ganz so einfach ist das nicht. Die Strommarktpreise werden nicht in der Schweiz gebildet, sondern sie entstehen anhand von Angebot und Nachfrage an den europäischen Strombörsen.

Strom längst verkauft

Da mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke Frankreichs derzeit stillsteht und uns Russland das Gas abgedreht hat, ist Energie momentan rar und eben teuer.

So haben unsere Energiefirmen nur einen beschränkten Einfluss auf die Preise – zumal sie den Strom, den sie aktuell produzieren, zum Grossteil schon vor Jahren zu einem tieferen Preis verkauft haben. Nur bei demjenigen Anteil, den sie frei verkaufen können, erzielen die Stromkonzerne Höchstpreise.

Fällt ein Werk weg und es regnet kaum, um die Speicherseen zu füllen, muss ein Energieunternehmen allenfalls im Winter teuren Strom auf dem Markt zukaufen, um so seine Lieferverträge erfüllen zu können. Dafür – so argumentieren die Konzerne – bräuchten sie Gewinne.

Mehr Transparenz

Was Sommaruga aber bemängelt und ändern will: Obwohl in öffentlicher Hand, sind Stromkonzerne höchst intransparent – und ihre staatlichen Eigner interessierte es bislang auch kaum, wie diese geschäften, solange die Dividende stimmte.

Selbst als der Energieriese Alpiq beim Bund kurz vor Weihnachten um eine Finanzspritze von 1,4 Milliarden Franken bettelte, war der Konzern nicht bereit, die Bücher auf den Tisch zu legen. Geht es nach dem Willen der Energieministerin, ist es nun vorbei mit dieser Intransparenz.

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