Friedensverhandlungen mit dem Kreml-Herrscher – zwingen ihn seine Schwächen zum Einlenken?
So kann man Putin packen

Anfang Woche finden entscheidende Friedensverhandlungen zur Ukraine statt. Bisher gab sich Putin hart. Doch er hat mehrere Probleme, die ihn zum Einlenken zwingen könnten. Wir zeigen seine Schwachstellen.
Publiziert: 24.03.2025 um 17:04 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2025 um 12:06 Uhr
Spielt den starken Mann, hat aber im eigenen Land mit grossen Problemen zu kämpfen: der russische Präsident Wladimir Putin.
Foto: Getty Images

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Diese Woche wird für die Ukraine zur Schicksalswoche. In Saudi-Arabien verhandeln Delegationen aus den USA und Russland über die Beendigung des Krieges. In einem ersten Schritt geht es um eine 30-tägige Waffenruhe.

Bisher gab sich der russische Präsident Wladimir Putin (72) knallhart. Statt auf Kompromissvorschläge einzugehen, verschärfte er in den vergangenen Tagen sogar die Angriffe auf die Ukraine. Zudem gelang es ihm, US-Präsident Donald Trump (78) – wenigstens zwischendurch – auf seine Seite zu ziehen. Doch der Kreml-Herrscher hat mehrere Schwächen, die ihn zum Einlenken zwingen könnten.

Die Friedensgespräche hatten schon am Sonntag zwischen Vertretern der USA und der Ukraine begonnen. In ersten Schritten sollen beide Kriegsparteien auf Schläge gegen Energieinfrastruktur und gegen Schiffe im Schwarzen Meer verzichten. Die Ukraine hat dem Vorschlag zugestimmt.

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Wrack in Kursk: Laut ukrainischen Angaben haben die Russen bisher gegen 10'000 Panzer verloren.
Foto: AFP

Bei den Russen ist viel grössere Überzeugungsarbeit gefragt. Zwar hat Putin immer behauptet, offen für eine Lösung zu sein. Doch diese Lösung bestand praktisch in der Kapitulation der Ukraine. Zu einer Rückgabe der eroberten Gebiete und einer westlichen Friedenstruppe zeigte der Kreml-Herrscher keine Bereitschaft.

Die Frage ist aber, ob sich Putin eine Weiterführung des Krieges überhaupt leisten kann. Denn die Lage in seinem Land ist – wegen der inzwischen über drei Jahre dauernden Invasion – desolat.

1

Explodierende Finanzen

Der teure Krieg und die Sanktionen zeigen ihre Wirkung. Laut dem russischen Finanzministerium hat sich das Haushaltsdefizit innerhalb eines Jahres im Januar auf 18,6 Milliarden Dollar verzehnfacht. Entgegen den Behauptungen des Kremls liegt die Inflationsrate nicht bei etwa 9 Prozent, sondern laut dem Institute for the Study of War (ISW) bei 20 bis 25 Prozent.

Das ISW geht auch davon aus, dass der Kreml die russische Zentralbank unter Druck setzt, damit der Leitzinssatz von aktuell 21 Prozent nicht weiter in die Höhe schnellt.

2

Serbelnde Armee

Die russische Armee ist am Anschlag. Laut dem ukrainischen Oberbefehlshaber Olexander Sirski (59) hat Russland seit der Invasion fast 10’000 Panzer verloren. Trotz Kriegswirtschaft schafft es Russland nicht, das verlorene Material rechtzeitig zu ersetzen.

Laut den ukrainischen Streitkräften haben die Russen rund 810’000 Tote und Verletzte zu verzeichnen. BBC berechnet allein die Zahl der toten Russen auf 220’000. Eine Rekrutierung wird immer schwieriger. Gefangene und Import-Soldaten aus Nordkorea müssen einspringen.

3

Fehlende Arbeitskräfte

In der russischen Wirtschaft fehlen rund 1,5 Millionen Arbeitskräfte. Grund für den Mangel: der grosse Bedarf an Leuten im Verteidigungsministerium und in der Armee selber sowie die Flucht von 700’000 bis 900’000 Russen ins Ausland. Die hohen Soldversprechen an die Soldaten treiben zudem die Lohnkosten in der Privatwirtschaft in die Höhe.

4

Bröckelnder Rückhalt

Der Druck, den der Kreml auf die Zentralbank ausübt, führte laut ISW zum Streit mit deren Chefin Elvira Nabiullina (61). Auch auf anderen Ebenen herrscht Missmut. Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Uni St. Gallen, sagt gegenüber Blick: «Putins Kriegskurs ist bei vielen Mitgliedern der russischen Regierung unpopulär. Man sieht darin ein persönliches Projekt des Präsidenten, gegen das man sich nicht offen stellen kann, aber aus dem man so schnell wie möglich herauskommen muss.»

Weiter bröckle auch der internationale Rückhalt – so etwa innerhalb der Brics-Gemeinschaft, wo Argentinien seinen Mitgliedschaftsantrag zurückgezogen habe und Indien und China häufig über Kreuz lägen. Schmid: «Durch diese heterogene Entwicklung ist Russlands Position geschwächt.»

«Schmerzgrenze erreicht»

Laut Schmid steckt Putin in einem Dilemma: Auf der einen Seite könne er die enorme finanzielle Belastung durch den Krieg und die überhitzte Wirtschaft nur noch mittelfristig stemmen. Auf der anderen Seite habe er sich durch die Annexion der vier ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischja und Cherson selbst unter Zugzwang gesetzt. Schmid: «Er sieht genau, dass seine eigene politische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht, wenn er einem umfassenden Waffenstillstand zustimmen würde.»

Dennoch könnten ihn die desolate Lage und der Unmut im eigenen Land zu einem Einlenken zwingen. Schmid: «Die russische Wirtschaft ist zwar gegenüber den Sanktionen stressresistenter, als die meisten Ökonomen geglaubt haben. Trotzdem ist jetzt eine Schmerzgrenze erreicht.» Der Westen müsse verstehen, dass es keinen auch nur annähernd gerechten Frieden gebe, solange Putin an der Macht sei. Deshalb müsse Russland laut Schmid «ökonomisch so unter Druck gesetzt werden, dass es zu einem Einfrieren des Konflikts auf der gegenwärtigen Kontaktlinie kommt».

Bereits hat Trump angedeutet, wie er in Putins Achillesferse stochern will: mit Sanktionen und Zöllen. Auf seinem Onlinedienst Truth Social schrieb er Anfang März, solche Massnahmen würden erwogen, bis eine Waffenruhe und eine «endgültige Friedensvereinbarung» erreicht seien.

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