Trump-Telefonat ist Desaster für Selenski
Dieser «Waffenstillstand» raubt der Ukraine ihr mächtigstes Mittel

Rund zwei Stunden haben Donald Trump und Wladimir Putin am Dienstagnachmittag telefoniert. Das Ergebnis: kein Waffenstillstand, aber umso mehr Ungemach für die Ukraine. Eine Analyse.
Publiziert: 18.03.2025 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: vor 54 Minuten
Donald Trump liess sich von Putin gleich dreifach hinters Licht führen.
Foto: imago images/UPI Photo

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Die Moskauer Zaubershow geht weiter. Obermagier Wladimir Putin (72) holt eine Fantasterei nach der anderen aus seinem grossen Hut. Und aus dem US-amerikanischen Publikum hagelt es kräftigen Applaus für all die Tricks, mit denen der Kreml-Herrscher auf der schummrigen Bühne seinen Fans die Sinne vernebelt.

Wie gefährlich Putins Waffenstillstand-Show zuweilen ist, zeigte sich beim Telefongespräch zwischen den beiden «guten Freunden» (Zitat der US-Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard) Donald Trump (78) und Putin am Dienstagnachmittag. Zwei Stunden dauerte das Gespräch – und mit drei Tricks zog der Russe den Amerikaner über den Tisch.

Trick Nummer 1: Die Kraftwerk-Schummelei

Wenig überraschend erteilte Putin der von den USA und der Ukraine vorgeschlagenen 30-tägigen, bedingungslosen Waffenruhe eine Abfuhr. Als Alternative aber stimmte Putin zu, einen Monat lang sämtliche Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur zu unterlassen, wenn die Ukraine dasselbe tut – um kurz darauf massive Angriffe auf die Energie-Infrastruktur in der Donbass-Stadt Slowjansk zu befehligen. Kein Wort von einem Stopp der Terroranschläge auf zivile Ziele, kein Wort vom Ende des brutalen Landraubs entlang der über 1000 Kilometer langen Front.

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Für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ist das jüngste Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump (78) und Russland-Präsident Wladimir Putin (72) eine Katastrophe.
Foto: AFP

Die Falle: Die ukrainischen Angriffe auf russische Ölraffinerien und andere Energie-Einrichtungen waren bislang Moskaus Achillesferse. Just an jenem Tag, an dem die Ukraine eine neue Eigenbau-Drohne mit 3000 Kilometern Reichweite vorstellte, entledigte sich Putin der Bedrohung mit seinem Vorschlag eines Infrastruktur-Waffenstillstands. Das wäre, als hätten die Gegner der Schweizer Kampfsportlegende Andy Hug (†35) nach der ersten Kampfhälfte jeweils verlangt, dass Hug ab sofort nicht mehr zum Andy-Kick ansetzen dürfe und ohne den Einsatz seiner Beine weiterkämpfen müsse.

Trick Nummer 2: Die Umzingelungslüge

Putin behauptete vergangene Woche fälschlicherweise, der Vorstoss seiner Truppen in der von der Ukraine besetzten Region Kursk habe mehrere Tausend von Kiews Kämpfern umzingelt. Trump fiel darauf herein und bat Putin, das Leben «der Eingeschlossenen» zu verschonen.

Die russische Seite hält in der offiziellen Stellungnahme zum Telefongespräch nun fest, dass man sich bezüglich der Kursk-Umzingelten «von humanitären Erwägungen leiten lassen» und sie «im Falle einer Kapitulation» verschonen werde. Das Problem an der Geschichte: Es gibt keine Umzingelten. Die ukrainischen Streitkräfte machten vor Kurzem einen hastigen, aber geordneten Abzug aus der vermeintlich umzingelten Gegend.

Trick Nummer 3: Die Hockey-Diplomatie

Trumps grosses Ziel bleibt eine Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen. Er will Russlands Isolation (die u.a. wegen der chinesischen, indischen und afrikanischen Handelsbeziehungen nie wirklich gelungen ist) beenden und Putin «vom Haken» lassen, wie die Amerikaner sagen. All die Kriegsverbrechen, für die ihn Europa vor Gericht stellen will? Vergessen. All die Verstösse gegen die internationale Ordnung? Vergeben.

Nichts zeigt Trumps Bereitschaft, Putin zurück in den Zirkel der «Normalen» zu holen, so sehr wie seine Zustimmung für den russischen Vorschlag, bald ein Hockeyspiel zwischen amerikanischen und russischen Spielern in den USA durchführen zu lassen. Trump willigte ein. Ein heftiger Bodycheck gegen die Ukraine. Und ein weiteres Indiz dafür, dass der Ex-Immobilien-Mogul dem Ex-KGB-Agenten bezüglich Verhandlungstaktik meilenweit unterlegen ist.

Fazit: Vielleicht ist Trump die Ukraine und sein Ruf in Europa schlicht egal. Dann könnte man das jüngste Telefonat zwischen Moskau und Washington als gelungenen Auftakt zur Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen werten.

Wahrscheinlicher aber scheint, dass sich Trump von seinem vermeintlichen «Freund» schlicht einsalben liess. Hauptleidtragender der Trump-Diplomatie bleibt die Ukraine. Geklärt ist nichts. Einen bedingungslosen Waffenstillstand gibt es noch immer genauso wenig wie eine realistische Aussicht auf einen stabilen, einigermassen gerechten Frieden.

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