Darum gehts
Gulnaz Partschefeld (43) weiss ganz genau, wie Wladimir Putins (72) Propaganda-Maschinerie läuft. Die Russin hat bis 2006 selbst als Nachrichtensprecherin für die allrussische staatliche Fernseh- und Radiogesellschaft gearbeitet. Heute lebt sie in der Schweiz und lehrt an der Universität St. Gallen russische Kulturgeschichte.
Partschefeld warnt die westlichen Vertreter bei den anbrechenden Verhandlungen mit Putin zu äusserster Vorsicht. Blick erklärt sie, welche Falle der Kreml-Herrscher seinen Gesprächspartnern stellt – und auf welchen alten KGB-Trick sie nicht hereinfallen dürfen. Es gäbe nur einen Weg, Putin an den Verhandlungstisch zu kriegen.
Dass sich der russische Präsident in einer ersten Stellungnahme am Donnerstag vordergründig positiv zum amerikanisch-ukrainischen Waffenstillstandsvorschlag geäussert hat: reine Augenwischerei laut Partschefeld. «Russland ist zu einem echten Waffenstillstand nicht bereit, solange es sich militärisch in der Offensive befindet und seine Landgewinne weiter ausbauen kann.» Genau das ist den Russen jüngst im von den Ukrainern besetzten Gebiet Kursk gelungen.
So feiert das russische Fernsehen Putins «Raffinesse»
Seine «Ja, aber»-Antwort an das Waffenstillstandsangebot am Donnerstag habe eine doppelte Funktion. Einerseits sei sie eine hübsch verpackte Absage, so formuliert, dass sie die Amerikaner nicht verärgere. Andererseits aber dränge sie die Ukraine massiv in die Defensive. Putin verkaufe untragbare Forderungen wie das Ende der westlichen Waffenlieferungen oder die Einstellung der ukrainischen Mobilmachung als legitime Friedensbedingungen. «Durch das Beharren auf diesen Forderungen versucht er, die Kapitulation der Ukraine zu erzwingen.» Ein alter Trick direkt aus dem KGB-Lehrbuch.
Dass Putin überhaupt zu dieser Verzögerungstaktik greife, zeige, dass er mit seinen Mitteln längst nicht am Ende ist und weiter auf eine militärische Lösung setze, sagt Gulnaz Partschefeld. «Er sieht sich nicht gezwungen, auf einen Vorschlag einzugehen, der nicht seinen Maximalforderungen entspricht.» In Putins Augen stünden die Ukraine aufgrund ihrer herben Verluste und die USA aufgrund von Trumps Versprechen einer raschen Lösung unter viel grösserem Druck als Moskau. Warum also sollte er jetzt vorschnell einlenken?
Dass die Ukraine zu einer bedingungslosen Kapitulation bereit ist, werde ihr im allmächtigen russischen Staatsfernsehen als Schwäche ausgelegt, während man da Putins Zögern als «taktische Raffinesse» verkaufe, beobachtet die gebürtige Russin. «Die Botschaft ist klar: Russland bleibt standhaft, ganz im Gegensatz zur Ukraine, die unter Druck sofort Zugeständnisse macht.»
Das muss passieren, damit Putin an den Verhandlungstisch kommt
Wer auch immer mit Putin verhandelt, muss sich in Acht nehmen. «Nach mehr als drei Jahren Krieg wird man Russland nicht mehr durch wirtschaftliche oder militärische Verluste zum Einlenken bewegen können, sondern nur durch eine konkrete Bedrohung für Putins Machterhalt», betont Partschefeld. Will heissen: Erst wenn Putin zu Hause unter politischen Druck gerät – etwa, weil sich das Blatt auf dem Schlachtfeld wieder zugunsten der Ukrainer wendet – kann es glaubhafte Verhandlungen geben. Wer mit Putin verhandelt, sollte daher nicht in die Falle langer und ergebnisloser Gespräche tappen, sondern klare rote Linien ziehen.
Die Ukraine hat das gemacht, indem sie der russischen Forderung nach der Anerkennung der annektierten Gebiete Donetsk, Luhansk, Saporischschja und Cherson als russische Territorien eine glasklare Absage erteilt hat. Donald Trump aber hat bislang keine roten Linien gezogen gegenüber Moskau. Ist er nicht bereit, das zu tun, wird Putin sein Verzögerungsspiel genüsslich weiterspielen können. Ein Waffenstillstand oder gar ein Frieden bliebe nichts als ein ferner Traum.