Wladimir Putin (71) wird bei den russischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag einen krachenden Sieg einfahren – auch wegen der Zürcherin Maria M.* (49). «Natürlich wähle ich Putin, er liebt sein Land. Unter seiner Führung hat Russland einen grossen Schritt vorwärtsgemacht», sagt die russische Staatsbürgerin zu Blick. Blick hat mit Putin-Wählern in der Schweiz und mit Putin-Gegnern gesprochen. Wie passt es zusammen, hier in einer Demokratie zu leben – und in der Heimat einen Autokraten zu unterstützen? Eine Spurensuche.
So wie sie denke eine deutliche Mehrheit der rund 16'000 Russinnen und Russen in der Schweiz, sagt Maria M. «Ich habe mindestens 25 Freunde hier, die Putin wählen werden.» Er sei der Einzige, der das Land vor dem Rückfall in die Anarchie bewahre und Stabilität garantiere.
«Meine Schweizer Freunde unterstützen Putin, und sei es nur, weil er ein Gegengewicht zu den USA darstellt», betont Maria M. Viele Schweizer Putin-Kritiker hätten keine Ahnung von den wahren Zuständen in Russland. Über uns Schweizer sagt die Zürcher Russin: «Ihr kennt ja nicht einmal eure eigene Geschichte. Die Schweizer sind leichter zu manipulieren als wir Russen.»
Ganz ähnlich sieht das Tatjana* (52) aus Schlieren: «Meine Schweizer Freunde sind sogar neidisch auf uns Russen, dass wir einen so intelligenten, fürsorglichen und diplomatischen Anführer haben», sagt die Russin, die seit über 20 Jahren in der Schweiz lebt und heuer erstmals an den Präsidentschaftswahlen teilnimmt. «Ich werde Putin meine Stimme geben, weil nur er das Land weiter voranbringen kann.»
Deshalb wird Putin in der Schweiz ein Rekordergebnis erzielen
Blick hat im Vorfeld der russischen Präsidentschaftswahlen mit einem halben Dutzend Putin-Wählerinnen und -Wählern in der Schweiz gesprochen. Niemand will mit vollem Namen hinstehen. Alle aber sind sich sicher: Ihr Kandidat, der Russland seit über 20 Jahren regiert, wird auch in Zukunft brillieren.
Daran haben auch in der Schweiz wohnhafte russische Putin-Kritiker keinen Zweifel. «Putin wird hierzulande noch deutlicher gewinnen als bei den vergangenen Wahlen», sagt Oleg Nenaschew (35) vom Putin-kritischen Schweizer Verein «Russland der Zukunft». Bei den vergangenen Wahlen hatte Putin bei den Schweiz-Russen um die 70 Prozent der Stimmen geholt. «Diesmal wirds noch klarer, weil die Opposition sich nicht einig ist», sagt der Wahl-Neuenburger.
Auf dem Wahlzettel, den russische Staatsbürger in der Schweiz am Sonntag auf der Botschaft in Bern oder bei der Vertretung in Genf einwerfen können, stehen neben Putin drei weitere Kandidaten zur Auswahl. Alle sind mehr oder weniger auf Putin-Linie. Die einzigen wirklichen Oppositionellen liess Putin entweder beseitigen (Alexei Nawalny) oder von den Wahllisten streichen (die Kriegsgegner Boris Nadeschdin und Jekaterina Duntsowa).
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Der Verein Russland der Zukunft goutiert das nicht und hat für Sonntagmittag unter dem Motto «Mittag gegen Putin» Protestaktionen in Bern und Genf angekündigt. Er rät dazu, entweder einen nicht zur Wahl stehenden Namen auf den Zettel zu schreiben oder einfach mehrere Kreuzchen zu machen, damit der Wahlzettel ungültig wird. «Damit können wir der Welt zeigen, dass es viele Russen gibt, die das Regime nicht unterstützen», sagt Nenaschew.
Der russische Trick mit den «toten Seelen»
Fair seien diese Wahlen natürlich nicht, betont Gulnaz Partschefeld (42), Lehrbeauftragte für russische Kulturgeschichte an der Uni St. Gallen und selbst russische Staatsbürgerin. «Wahlbeobachter aus dem Ausland sind nicht zugelassen – und in den besetzten Gebieten der Ukraine werden Wählerlisten aus der Vorkriegszeit verwendet, was mehrere Hunderttausend ‹tote Seelen› bedeutet: ideal für die Wahlmanipulation.»
Für Putin sei ein deutliches Resultat immens wichtig, erklärt Partschefeld. «Er muss die Eliten in Russland von seiner Legitimität überzeugen. Sie dürfen nicht den Eindruck erhalten, dass Putins Popularität gesunken ist.» Die Eliten wüssten, dass nur ein starker Putin das System stabilisiere, von dem sie profitierten.
Auch wenn es am Resultat selbst nichts ändert: Mitmachen und seinen Protest kundtun sei so wichtig wie nie, sagt Gulnaz Partschefeld. Das habe Nawalny gut auf den Punkt gebracht: «Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist die Untätigkeit einiger guter Menschen.»
* Namen bekannt