Seit 24 Jahren ist er an der Macht – und wird am Sonntag wiedergewählt
Das sind die 7 Gesichter von Wladimir Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin ist seit 1999 an der Macht. Seine Politik begann hoffnungsvoll, entwickelte sich aber immer mehr in Richtung Abschottung und Zerstörung. Wir zeigen, wie sich sein Gesicht verändert hat.
Publiziert: 14.03.2024 um 15:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2024 um 22:10 Uhr
Besuch bei der Schwarzmeer-Flotte: Im Jahr 2000 hatte Wladimir Putin noch Weitblick.
Foto: Keystone
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Guido FelderAusland-Redaktor

Wie sich doch ein Mensch verändern kann. Als Wladimir Wladimirowitsch Putin (71) 1999 zum Ministerpräsident Russlands gewählt wurde, herrschte grosse Hoffnung. Spätestens am 24. Februar 2022, als die russische Armee in die Ukraine einmarschierte, zeigte sich, wie Putin alle angelogen hatte. Von Freitag bis Sonntag lässt sich Putin nach 24 Jahren – als Präsident oder Ministerpräsident an der Macht – wieder zum Präsidenten krönen. Es finden Wahlen statt. Scheinwahlen. Denn schon jetzt steht fest, wer sie gewinnen wird: Putin. 

Wir zeigen in sieben Kapiteln, wie sich der russische Präsident vom Hoffnungsträger zum Kriegstreiber entwickelt hat. 

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Russlandversteher: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder traf Putin 2004 in Hannover.
Foto: Keystone

Der Hoffnungsträger

In seinen ersten beiden Amtszeiten bis 2008 konnte Putin von einem hohen Erdölpreis profitieren. Die russische Wirtschaft hatte zweistellige Zuwachsraten, ein neuer Mittelstand bildete sich. Im März 2000 betonte er die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit dem Westen, sogar mit der Nato, mit der eine Zusammenarbeit nicht ausschloss. Er bezeichnete Russland als «Teil der europäischen Kultur». 

Der Dealer

Allerdings wurde bereits damals eine Tendenz zur autoritären Herrschaft sichtbar. Russland-Experte Ulrich Schmid (58) von der Uni St. Gallen sagt: «Putin schloss mit den Oligarchen einen Vertrag: Sie mischen sich nicht in die Politik ein, dafür stellt er die fragwürdigen Privatisierungen in den wilden 1990er Jahren nicht in Frage.»

Michail Chodorkowski (60), der sich gegen diesen Deal stellte, wurde 2003 verhaftet und verschwand für zehn Jahre hinter Gittern. Als Putin den Medienunternehmer Wladimir Gussinski (71) zwang, seinen kritischen Fernsehkanal an den staatsnahen Ölkonzern Gasprom zu verkaufen, begann eine «Berlusconisierung» der russischen Medienlandschaft. 

Der Fälscher

Der Protestwinter 2011/12 war ein grosser Einschnitt. Hunderttausende protestierten gegen Fälschungen bei den Dumawahlen und eine «Wahl ohne Auswahl» bei der Präsidentenwahl. Das Parlament verabschiedete rigorose Gesetze mit harten Strafen, etwa gegen «ausländische Agenten». 

Nach der Invasion in die Ukraine folgten weitere Gesetze, etwa gegen «Diffamierung der Armee» und der Verbreitung «falscher Nachrichten» über die sogenannte Spezialoperation. Schmid: «Heute befindet sich Russland in einem Zustand einer inneren Besatzung. Das Regime Putin führt sich im eigenen Land wie eine Okkupationsmacht auf.» 

Der Ideologe

Zunächst war es Putin darum gegangen, das Land nach Boris Jelzins (1937–2007) chaotischer Präsidentschaft zu stabilisieren und die Vertikale der Macht zu installieren. «Die Massenproteste von 2011/12 haben ihm deutlich gemacht, dass seine Macht auch hinterfragt werden kann», sagt Ulrich Schmid. 

Seither habe er sich zunehmend radikalisiert. Schmid meint: «Möglicherweise hat auch seine Selbstisolation während der Covid-Pandemie einen Einfluss auf seine ideologische Verhärtung gehabt.» Er sehe sich heute als Vollstrecker einer historischen Mission und als Verkörperung eines geeinten Volkswillens.

Der Herrscher

Mit harter Hand versucht Putin, das Land zusammenzuhalten. «Viele Russen fürchten sich vor einem Abgleiten in ein Chaos, wenn der starke Präsident Putin seinen Posten verlässt oder verliert», sagt Ulrich Schmid. 

Unabhängige russische Soziologen definierten den heutigen Zustand des Landes so: Es herrscht in Russland ein organisierter Konsens darüber, dass dem Krieg zugestimmt wird, jedoch ohne Begeisterung. Zugleich ist die Popularität Putin nicht besonders stark ausgeprägt. 

Der Absteiger

Solange Putin an der Macht ist, werde sich wenig ändern, meint Schmid. Aber auch wenn Putin – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr Präsident wäre, gäbe es starke Beharrungskräfte im System. Schmid: «Alle Entscheidungsträger und Eliten sind im System Putin gross geworden. Sie haben ihm nicht nur Loyalität gezeigt, sondern haben sich durch ihr Schweigen zum Krieg auch selbst kompromittiert.»

Der Gehasste

Für Ulrich Schmid ist noch nicht alles verloren. «Möglicherweise wird eine Veränderung so schnell und überraschend kommen wie der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991.» Eine zweite Teilmobilmachung könnte dazu beitragen, dass die lethargische Stimmung in der Bevölkerung kippe und der Hass gegen Putin öffentlich ausbreche. 

Der Krieg in der Ukraine sei in Russland unpopulär und werde zurzeit noch als notwendiges Übel hingenommen. Schmid: «Es gibt keinen Hurrapatriotismus wie nach der Annexion der Krim 2014.» 

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