Hochburg des russischen Widerstands liegt in Serbien
«Die Welt muss wissen, dass viele Russen gegen den Krieg sind»

Serbien ist zum Zufluchtsort vieler Russen geworden, die nach Kriegsausbruch in ihrer Heimat nicht länger sicher waren. Jetzt zieht Belgrad die Schrauben gegen viele der Kriegsgegner an. Laut dem treuen Verbündeten Moskaus stellen die Russen ein Sicherheitsrisiko dar.
Publiziert: 30.10.2023 um 02:13 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2023 um 14:26 Uhr
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Ein in Belgrad mit Farbe vandalisiertes Porträt des russischen Kriegspräsidenten Wladimir Putin. Dazu der kyrillische Schriftzug «Bruder».
Foto: Keystone

Serbien gilt als der grosse Verbündete von Russland und Präsident Wladimir Putin (71) in Europa. Doch auch rund 200'000 Russen sind seit Moskaus Einmarsch in die Ukraine nach Serbien geflohen. Das macht das Balkanland zu einem der wichtigsten Exilorte, wo Regimegegner Moskaus Zuflucht finden.

Im Gegensatz zum restlichen Europa und der Welt benötigen Russen kein Visum für die Einreise nach Serbien. Die beiden orthodoxen christlichen Länder pflegen historische Beziehungen, Russen werden weitgehend willkommen geheissen.

Seit Ausbruch des Krieges haben Russen in Belgrad Cafés und Geschäfte eröffnet, auch investierten sie in den Immobilienmarkt. Konzert- und Vortragssäle in Belgrad haben sich zu lebendigen Treffpunkten für Russen entwickelt.

Kriegsgegner vs. Nationalisten

Doch offenbar ist gerade Belgrad mittlerweile zum Schauplatz von Streitigkeiten zwischen Anhängern und Gegnern von Putin geworden. Kreml-Gegner sind Drohungen und Gewalt seitens von Nationalisten ausgesetzt, wie der «Guardian» berichtet. Russische Anti-Kriegs-Aktivisten werden zitiert, die sich in Serbien nicht länger sicher fühlen und etwa Belgrad in Richtung Berlin verlassen haben.

Belgrad vollführt seit Kriegsausbruch eine heikle Gratwanderung zwischen seinen EU-Bestrebungen und seinen jahrhundertealten ethnischen und religiösen Bindungen zu Russland. Präsidenten Aleksandar Vucic (53) weigert sich, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Im Austausch fungiert Moskau weiterhin als Serbiens wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo.

Schwarze Liste

Jetzt sprechen sich offenbar nationalistische serbische Politiker gegen den Zustrom russischer Kriegsgegner aus. Ihrer Meinung nach versuchen diese, das Land zu destabilisieren. Beispiele werden aufgeführt, wie die serbischen Behörden auch russischen Aktivisten mit Aufenthaltsgenehmigungen die Einreise verweigern.

Wladimir Wolokonski (44), einem geflohenen oppositionellen Abgeordneten aus St. Petersburg, wurde schon Mitte Jahr die Aufenthaltsbewilligung entzogen. Er stelle angeblich eine Gefahr für Serbiens nationale Sicherheit dar. Serbien führt inzwischen offenbar eine schwarze Liste mit russischen Regierungsgegnern, denen in der Heimat die Verhaftung droht.

Jetzt herrscht in Belgrads Strassen ein Graffiti-Krieg. Pro-Kriegs-Parolen von Putin-Getreuen werden von Putin-Gegnern übermalt – und diese gleich wieder von den Putin-Getreuen übermalt.

«Es ist wichtig, dass die Welt weiss, dass viele Russen gegen den Krieg sind»

Die aus Russland Geflohenen lassen sich nicht schnell kleinkriegen. Ein Belgrad-Konzert der russisch-belarussischen Rockband BI-2, die nach Kritik am Krieg nach Serbien floh, begeisterte unlängst 5000 Fans.

Als das Konzert zu Ende war, versammelten sich Gruppen draussen. «Es ist ein gutes Gefühl, zu solchen Konzerten zu kommen und mit Menschen zu sprechen, die genauso denken», wird ein junger Mann namens Anton zitiert, der Moskau kurz nach Kriegsbeginn verlassen hatte. «Es ist wichtig, dass die Welt weiss, dass viele Russen gegen den Krieg sind.» (kes)

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