Reporterin trifft Trump mit Mikrofon im Gesicht
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Seine Reaktion überrascht:Reporterin trifft Trump mit Mikrofon im Gesicht

Selenski-Berater Mychajlo Podoljak
«Trump wird feststellen, dass Putin kein Partner ist»

Die USA und Russland verhandeln über die Zukunft der Ukraine – ohne die Regierung in Kiew. Ein Gespräch über die Konfrontation im Weissen Haus, die Gasleitung Nord Stream und die Bürgenstock-Konferenz.
Publiziert: 22.03.2025 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2025 um 10:34 Uhr
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«Frieden kann nur erreicht werden, wenn Russland versteht, dass der Preis des Krieges zu hoch ist», sagt Selenski-Berater Mychajlo Podoljak.
Foto: Olga Ivashchenko

Darum gehts

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Raphael RauchBundeshausredaktor

Herr Podoljak, welchen Rat geben Sie Wolodimir Selenski für seinen Umgang mit dem unberechenbaren Donald Trump?
Mychajlo Podoljak:
Ich denke nicht, dass Präsident Selenski einen Rat braucht. Er fühlt sich in bilateralen Gesprächen wohl. Was den emotionalen Austausch im Weissen Haus betrifft, sehe ich das anders als viele: Emotionen können in solchen Situationen nützlich sein.

Ihr Job ist es, sogar diplomatische Katastrophen wie die Begegnung im Weissen Haus schönzureden!
Mit dem Regierungswechsel hat sich die Strategie der USA geändert. Das emotionale Gespräch hat geholfen, alles auf den Tisch zu legen – und siehe da: Wir sind schnell zu einem produktiven, konstruktiven Verlauf der bilateralen Beziehungen übergegangen.

Selenski wurde öffentlich gedemütigt und musste später bei Trump zu Kreuze kriechen.
Es gab ein sehr konstruktives Telefongespräch zwischen Präsident Selenski und Präsident Trump; wir haben unsere Positionen aufeinander abgestimmt. Die USA wollen einen schnellen Waffenstillstand und dann zu den politischen Fragen übergehen. Auch wir wollen das. Aber Russland ist nicht zu einem Waffenstillstand bereit.

Putin sendet andere Signale, am Montag gehen die Gespräche in Saudi-Arabien zwischen Washington und Moskau weiter.
Trump wird feststellen, dass Putin kein Partner ist. Russland geht es nicht um Frieden – Russland braucht den Krieg. Der ermöglicht es Putin, Russland und andere Gebiete zu kontrollieren. Ohne den Krieg hätte er eine Revolution – schauen Sie sich die Probleme auf dem Kaukasus an: in Tschetschenien, in Dagestan, in Georgien. Russland beharrt darauf, Krieg zu einem legitimen Mittel der Politik zu machen. Das, was seit dem Zweiten Weltkrieg verboten ist, will Russland legitimieren.

Wie geht es nun weiter?
Wir werden sehen, ob es möglich ist, den Krieg zu Russlands Bedingungen zu beenden. Das ist unwahrscheinlich. Schauen wir uns Trumps Plan an: Er ist schnell und konkret. Die erste Stufe ist ein Waffenstillstand. Die zweite Stufe ist die Festlegung der Verhandlungsposition. Die dritte Stufe sind dann die Verhandlungen selbst.

Noch mehr dürften Ihnen Signale aus Paris und London gefallen: mehr Unterstützung für die Ukraine.
Auch von den USA erhalten wir viel Unterstützung und – entgegen der ursprünglichen Ankündigungen – weiterhin Militärhilfe. Klar ist: Wir brauchen eine starke Grenze zu Russland und eine Armee, die sie sichert. Das sehen Präsident Macron, Premierminister Starmer und Ministerpräsidentin Meloni genauso. Eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist auch eine Sicherheitsgarantie für Europa. Nur wenn es eine starke Grenze zu Russland gibt, sind die europäischen Grenzen geschützt, und es gibt keine Möglichkeit für eine russische Expansion.

In der Schweiz gab es ein Geheimtreffen über die Zukunft der Gasleitung Nord Stream mit Trumps Sondergesandten Richard Grenell. Ein weiterer Affront für die Ukraine?
Die USA versuchen, Moskau über eine Umstrukturierung des russischen Energiesektors zu beeinflussen. Doch schauen wir uns die wirklichen Motive Russlands an: Die Gasleitung ist für Putin ein Instrument, um politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf Europa zu nehmen – vor allem auf Deutschland. Ich glaube nicht, dass Russland die Kontrolle darüber aus der Hand geben will.

Was fordern Sie von Deutschland, das lange Zeit von günstigem russischem Gas profitiert hat, und von der Schweiz, wo die Nord-Stream-Holding ihren Sitz hat?
Deutschland und die Schweiz müssen verstehen, worum es Russland geht. Russland ist kein verlässlicher Partner – das war Russland noch nie. Russland setzt auf geopolitischen Einfluss: Russland will, dass Europa von russischen Energieträgern abhängig ist, um die politischen Prozesse beeinflussen zu können.

Ohne Zugeständnisse wird Putin keinen Waffenstillstand unterschreiben. Nord Stream könnte ein Schlüssel für seine Zustimmung sein.
Russland verhandelt mit Maximalforderungen und der Androhung von Gewalt. Es wird Teile des ukrainischen Territoriums fordern, ein Ende der Sanktionen, die Freigabe russischer Gelder und sogar Dinge, die zwar nichts mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu tun haben, aber mit dem Einfluss Russlands im Nahen Osten und in Afrika. Bevor Moskau etwas unterschreibt, wirft es immer Dutzende Themen in die Diskussion. Auch die Zukunft der Energieunternehmen Gazprom und Rosneft werden eine Rolle spielen – doch die Vorstellung, Handel könnte zu stabilen Beziehungen mit Russland führen, ist eine Illusion.

2024 fand in der Schweiz die Bürgenstock-Konferenz statt – nun laufen Verhandlungen in Saudi-Arabien. Was ist von der Schweizer Initiative übrig geblieben?
Die Konferenz war sehr wichtig, um zu zeigen, dass 100 Länder sich zum Völkerrecht bekennen. Die Fragen, die wir dort besprochen haben, sind weiterhin aktuell: zur Nuklearenergie, zur Ernährungssicherheit und zum Thema Kriegsgefangene. Die Botschaft der Konferenz war: Entweder wir schaffen einen gerechten Frieden – oder wir müssen die Regeln ändern. Russland beharrt auf dem Konzept: Ich bin stärker, also habe ich das Recht, anderen etwas wegzunehmen. Das heisst, es gibt kein Recht auf Eigentum, kein Recht auf Souveränität, kein Recht auf Territorium. Das führt zu mehr Gewalt, höheren Sicherheitsausgaben und damit zu höheren Lebenshaltungskosten. Wir müssen das Völkerrecht verteidigen.

Die Krim ist seit über zehn Jahren von Russland annektiert. Was bringt es, das Völkerrecht zu verteidigen, wenn die Realität längst eine andere ist?
Rechtlich gesehen sind die von Russland besetzten Gebiete ukrainisch – und so wird es auch bleiben. Niemand wird die vorübergehende Besetzung durch Russland anerkennen, damit nicht Hunderte eingefrorener Konflikte auf der Welt neu aufbrechen. Wer ausser Russland ist im 21. Jahrhundert an der Veränderung von Grenzen interessiert? Es ist ein Land der Vergangenheit und meint, mit Gewalt Dominanz zu erlangen. Dieses Konzept funktioniert nicht mehr.

Trump will rasche Erfolge. Wie wird sich Russland verhalten?
Putin setzt auf die Strategie der russischen Diplomatie: Er wird alles eine Zeit lang hinauszögern. In dieser Zeit wird Putin weiter Ressourcen anhäufen und dann wieder zuschlagen. Trump wird feststellen, dass er sich lllusionen über Russland hingibt.

Welche Illusionen?
Putin hat kein Interesse an einem Frieden – ihm geht es um Krieg, auch wenn dieser hin und wieder unterbrochen wird. Putin wird die Kriegswirtschaft nicht in eine normale Wirtschaft umbauen. Putin wird keine Mittel von Militärprogrammen abziehen und stattdessen Sozialprogramme finanzieren.

Wie soll Frieden möglich sein?
Frieden kann nur erreicht werden, wenn Russland begreift, dass der Preis des Krieges zu hoch ist. Dafür gibt es drei Instrumente. Erstens: Angriffe auf das russische Territorium, um Russland zu schwächen. Zweitens: Die Zunahme des wirtschaftlichen Drucks auf Russland. Und drittens: Wir sollten uns von der Idee verabschieden, Russland etwas geben zu müssen, um den Krieg zu beenden. Moskau muss für seine Aggression und seine Kriegsverbrechen bestraft werden und darf nicht belohnt werden. Putin und seine Entourage haben den Krieg begonnen, um Profit daraus zu schlagen. Wenn sie dafür auch noch belohnt werden, stimulieren Sie Russland zusätzlich.

Realistisch gesehen bedeutet das: So schnell ist kein Frieden in Sicht?
Der Krieg kann schnell beendet werden. Aber dafür braucht es angemessene militärische Schritte. Russland versteht nur Gewalt.

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