Alzheimer ist nach wie vor unheilbar. Jetzt stehen zwei Medikamente kurz vor der Zulassung, die den Prozess aber zumindest wirksam verlangsamen. In den USA ist eines davon bereits zugelassen. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) wurden entsprechende Anträge eingereicht.
Dorothee Saur, Neurologin am Universitätsklinikum Leipzig, sagt in einem von ihrer Universität veröffentlichten Interview: «Das ist ein echter Meilenstein, darauf haben wir lange gewartet. Bisher haben wir keine wirksamen Therapien, um den bei einer Demenz einsetzenden Prozess des Abbaus kognitiver Fähigkeiten zu beeinflussen. Die jetzt vor der Zulassung stehenden zwei Therapien setzen genau da an – sie bremsen den Verlust an Gehirn- und Gedächtnisleistung.»
Stimulierung des Immunsystems
Bei Personen mit Demenz bilden sich sogenannte Amyloid-Plaques im Gehirn, die Nervenzellen zerstören. Die Wirksamkeit der beiden neuen Therapien besteht darin, dass die verabreichten Antikörper das Immunsystem so stimulieren, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn «angreift und entsorgt», wie Saur erklärt. «Das lässt sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen – vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollständig.»
Allerdings werde dadurch bisher das Fortschreiten der Erkrankung weiterhin nicht gestoppt, sondern nur deutlich verlangsamt. «Für die Betroffenen macht das aber einen grossen Unterschied: Das könnte weitere Lebensjahre mit geringeren Einschränkungen bedeuten», sagt die Neurologin.
Verlangsamung von bis zu 30 Prozent
Die Therapien eröffnen Saur zufolge vor allem bei Menschen in einem sehr frühen Stadium der Demenz neue Möglichkeiten. «Mit den neuen Mitteln können wir in dieser Phase die Behandlung beginnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamen.» Die noch überwiegend intakten Hirnfunktionen bei Patienten im Frühstadium würden sich damit möglicherweise nicht so schnell verschlechtern.
Saur geht davon aus, dass die Therapien für Frühverläufe zugelassen werden. Die Neurologin rechnet im Frühsommer 2024 damit. Sie betont zugleich die Notwendigkeit weiterer Forschungsarbeit auf dem Gebiet: «Zwar gilt die Therapie grundsätzlich als gut verträglich, aber jeder reagiert individuell, und auch hier gibt es unerwünschte Reaktionen, die rechtzeitig erfasst und behandelt werden müssen.» Zudem könne man die Amyloid-Ablagerung jetzt zwar bekämpfen, gegen den zweiten Krankheitsauslöser bei Alzheimer, die veränderten Tau-Proteine, sei die Entwicklung aber noch nicht so weit. (noo)