In der Stadt Wuhan, dem Ausgangspunkt der Epidemie, nehmen zahlreiche Branchen die Arbeit wieder auf. Flughäfen werden wieder geöffnet, Notspitäler geschlossen: China scheint nach dem Ausbruch des Coronavirus zurück auf dem Weg zur Normalität zu sein. BLICK sprach mit Professor Sebastian Heilmann (54), China-Experte an der Universität Trier (D) und Gründungsdirektor des Mercator Institute for China Studies, über die Lehren Chinas aus dem Corona-Fall.
BLICK: Bekommt China das Corona-Problem tatsächlich in den Griff?
Sebastian Heilmann: Die offiziellen Zahlen belegen, dass China die Epidemie in den Griff bekommt. Staatsmedien und Regierung in China feiern bereits den Sieg im «Volkskrieg» gegen das Virus.
Ist die Corona-Gefahr somit definitiv am Abklingen?
Es bestehen unvermindert Risiken einer zweiten Infektionswelle. Und inoffizielle Meldungen aus Ärztekreisen in Südwestchina deuten darauf hin, dass es dort lokale Epidemieherde mit vielen Todesfällen gibt, über die Informationen staatlicherseits unterdrückt werden. Das Epidemiegeschehen ist also trotz der offiziellen Jubelmeldungen weiter in Bewegung und riskant.
Wie beurteilen Sie die drastischen Massnahmen Chinas?
Chinas politische Führung hat – nach anfänglich verzögerter Reaktion auf den Ausbruch der Epidemie in Wuhan – eine gewaltige nationale Mobilisierungs- und Eindämmungskampagne durchgesetzt. Menschliche, soziale und wirtschaftliche Belastungen wurden dem Kollektivinteresse am Schutz der Gesamtbevölkerung untergeordnet. Ich halte die chinesischen Massnahmen in dieser bedrohlichen Situation für konsequent und überwiegend auch wirkungsvoll.
Wie viel davon ist Propaganda?
Natürlich müssen wir den Anteil an Propaganda und unterdrückten Informationen im chinesischen System stets mit bedenken. Aber Chinas politische Führung stellt es als Überlegenheit des chinesischen Systems dar, dass die Epidemie in China schon abklingt, während europäische Länder und die USA grösste Schwierigkeiten haben, die Epidemie vergleichbar wirkungsvoll einzudämmen.
Welche wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen wird das Virus auf China haben?
In wirtschaftlicher Hinsicht ist diese Epidemie für China ein schwerer Rückschlag, auch wenn im zweiten Quartal 2020 eine rasche Erholung einsetzen sollte. Lieferketten sind empfindlich gestört, Chinas Aussenhandel ist massiv eingeschränkt, das Vertrauen von Investoren und Konsumenten in eine stabile Entwicklung nur schwer wiederherzustellen.
Wie sehr schaden diese drastischen Massnahmen der Regierung?
In politischer Hinsicht ist es wahrscheinlich, dass viele Chinesen die drakonischen Massnahmen der eigenen Regierung als gerechtfertigt ansehen, sodass die Unterstützung für das autoritäre System eher gefestigt wird – entgegen vielen Erwartungen in der westlichen Öffentlichkeit.
Was unternimmt die chinesische Regierung, damit es in Zukunft zu keinen gefährlichen Epidemien mehr kommt?
Chinas Regierung ist bereits dabei, die Vorschriften für Nahrungsmittelmärkte und Hygiene so zu verschärfen, dass ähnliche Epidemien in Zukunft verhindert werden können. Das ist die positive Lehre aus dieser Erfahrung. Ich rechne damit, dass in der chinesischen Gesellschaft die Abkehr vom Verzehr exotischer Wildtiere nun wirklich vorankommt.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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