Wie eine Walze haben die Taliban Afghanistan niedergewalzt und die Macht innert nur zehn Tagen an sich gerissen. Viele Afghanen haben sich den Islamisten kampflos ergeben.
Doch nach dem Schock formiert sich Widerstand. Nicht nur im Pandschirtal bereiten sich Rebellen zum Kampf gegen die Taliban vor. An mehreren Orten bildet sich Gegenwehr.
Am Freitag seien die drei Distrikte Bano, Dih Salah und Puli Hisar in der Provinz Baghlan im Norden des Landes zurückerobert worden, berichten internationale Medien und die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News übereinstimmend.
Auch der bisherige Verteidigungsminister Bismillah Moha bestätigte die Kämpfe in den drei Distrikten. «Widerstand gegen die terroristischen Taliban ist ein Muss für jeden von uns», schrieb Moha auf Twitter. «Der Widerstand lebt noch.»
Videos in den sozialen Medien zeigen, wie jubelnde Kämpfer die schwarz-rot-grüne afghanische Flagge auf Gebäuden hissen. Auch Kinder sind mit Waffen und Fahnen zu sehen. Wie weit sie in die Kampfhandlungen involviert sind, ist nicht klar.
Mehrere Tote
Zu den Gefechten war es nach Medienberichten gekommen, nachdem die Taliban in den drei Distrikten grossflächige Hausdurchsuchungen durchgeführt hatten. Dabei sollen lokale Stammesführer die Taliban zuvor gebeten haben, nicht in ihre Dörfer und Häuser zu kommen – im Gegenzug hätte die Bevölkerung die Herrschaft der Islamisten akzeptiert.
«Die Taliban-Kämpfer haben uns nicht zugehört», zitiert die «Washington Post» jedoch einen Rebellenkämpfer namens Sediqullah Shuja. «Sie sind zu unseren Häusern gekommen und haben die Bewohner belästigt. In unseren Dörfern sind die Menschen Muslime und sehr traditionell. Es gibt keinen Grund für die Taliban, herzukommen und uns den Islam beizubringen.»
Welches Ausmass die Gefechte hatten, ist unklar. Taliban-nahe Accounts in den sozialen Medien sprechen mehrheitlich von 15 toten Taliban-Kämpfern und ebenso vielen Verletzten, andere Quellen sprechen von 20 bis 30 toten Islamisten. Bewohner sollen die neuen Machthaber beschimpft und mit Steinen auf sie geworfen haben. Die Taliban selbst haben sich zu den Berichten noch nicht geäussert.
Lokale Kämpfer rekrutiert
Ein ehemaliger Gefängniskommandant namens Abdul Rahman sagte der «Washington Post», er habe eigenhändig Hunderte lokaler Kämpfer rekrutiert, die wiederum die Taliban vertrieben hätten. «Alle Bewohner des Tals sind aufgestanden gegen die Taliban», sagte Rahman. «Wir haben keine Angst vor Taliban-Kämpfern. Wir können alle Kämpfer besiegen, die kommen.»
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass sich auch im Pandschirtal Widerstand formiert. Da haben sich der abgesetzte Vize-Präsident Amrullah Saleh (48) und Ahmed Massoud (32), Sohn des Nationalhelden und ehemaligen Anti-Taliban-Kämpfers Ahmed Schah Massoud (1953–2001), zusammengeschlossen, um das bisher unbesetzte Tal vor den Taliban zu schützen. (gf)