Donald Trumps (74) wirres Verhalten in seinen letzten Amtstagen stösst nicht nur beim gegnerischen Lager auf Empörung. Auch innerhalb der Republikaner erhitzt er die Gemüter dermassen, dass die Partei in gefährliche Schieflage geraten ist.
Mehrere Top-Politiker haben den Austritt gegeben. Prominentester Kopf ist Ex-Aussenminister Colin Powell (83), der 2001 bis 2005 unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush (74) diente. Auf CNN sagte er, dass Republikaner den Sturm aufs Kapitol angefeuert hätten. «Und deshalb kann ich mich nicht mehr länger als Mitglied der Republikaner bezeichnen.»
Schon im Sommer hatte Powell angekündigt, dass er für Joe Biden (78) stimmen werde. Damals sagte er: «Wir haben eine Verfassung, wir müssen die Verfassung respektieren. Und der Präsident hat sich davon abgewandt.»
Republikaner fordern sofortigen Rücktritt
Powell ist nicht der Einzige, der den Republikanern den Rücken kehrt. Unter anderem haben auch Paul Mitchell (64), Abgeordneter aus Michigan, und Jennifer Horn (56), ehemalige Chefin der Republikaner in New Hampshire, die Partei wegen Trump verlassen.
Weitere langjährige Weggefährten von Trump bleiben zwar, wagen aber den innerparteilichen Aufstand. So fordern etwa Senatorin Lisa Murkowski (63) aus Alaska, der Abgeordnete Adam Kinzinger (42) aus Illinois, Gouverneur Phil Scott (62) aus Vermont, Gouverneur Larry Hogan (64) aus Maryland und Gouverneur Charlie Baker (64) aus Massachusetts Trumps sofortigen Rücktritt und unterstützen ein Impeachment-Verfahren.
Streit um Ausrichtung
Nach Trumps Amtszeit, und vor allem nach der von ihm provozierten Stürmung des Kapitols am 6. Januar, steht die Partei vor einem wichtigen Wendepunkt. Claudia Brühwiler, USA-Expertin an der Uni St. Gallen, sagt zu BLICK: «Es ist dringender denn je, dass sich ihre Exponenten nicht einfach nur mit Personalien, sondern mit Prinzipien und Werten auseinandersetzen. Zahlreiche prominente Köpfe der Partei haben dies erkannt.»
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Nach wie vor aber gibt es ein starkes Lager, das, wenn nicht gar dem scheidenden Präsidenten selbst, dem Trumpismus treu bleiben will. Eine Umfrage vom Meinungsforschungsinstitut Yougov zeigt, dass fast die Hälfte der befragten Republikaner den Sturm auf das Kapitol gutheisst. Claudia Brühwiler: «Es zeichnet sich ein innerparteilicher Richtungsstreit ab.»
Risiko bei Spaltung zu gross
Zerfällt die Partei nun in einen gemässigten Teil und eine «amerikanische AfD»? «Man müsste sich eher fragen, ob Anreize bestehen, eine neue Partei zu gründen, die tatsächlich auf der nationalen Bühne bestehen kann», sagt Claudia Brühwiler. Denn die Hürden seien hoch, da das Wahlsystem ein Zweiparteiensystem begünstige.
Deshalb glaubt die USA-Kennerin nicht an eine Spaltung. «Die Republikaner würden sehr viel verlieren, wenn sie nicht mehr als eine Partei auftreten würden – das werden die meisten gewählten Politikerinnen und Politiker nicht riskieren wollen.»
Hoffnungen ruhen auf Pence
In einem Interview spricht der österreichische Politexperte Thomas Hofer dem Vizepräsidenten Mike Pence (61) eine entscheidende Rolle zu, die Partei zu einen. Pence hatte im Kongress dem Druck Trumps standgehalten und erkennt – wie auch Mitch McConnell (78), Mehrheitsführer der Republikaner im Senat – Joe Biden als neuen Präsidenten an. Offenbar will Pence, im Gegensatz zu Trump, auch dem Amtsantritt von Joe Biden am 20. Januar beiwohnen.
Laut Hofer brauchten die Republikaner «eine Figur, wie es Pence sein könnte», der die Partei in den nächsten vier Jahren halbwegs geeint führe. Wenn es ihm etwa gelinge, Trump bis Amtsende von weiteren Eskalationsschritten abzubringen, wäre das auch eine «Empfehlung» für eine wichtigere Rolle in der Zukunft.
John Boehner (71), ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Republikaner im Repräsentantenhaus, sieht seine Partei in massiver Schieflage. «Ich habe einmal gesagt, dass die Partei von Lincoln und Reagan ein Nickerchen mache. Das Nickerchen ist nun zu einem Albtraum für unsere Nation geworden. Die Grand Old Party muss aufwachen.»