US-Verfassungsexperte sah ähnliche Szenarien voraus
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Ende von Trumps Amtszeit:US-Verfassungsexperte sah ähnliche Szenarien voraus

US-Verfassungsexperte über Trumps Zukunft
«Die Republikaner müssen mit Trump brechen – für immer!»

Trump ist verantwortlich für den Kapitol-Angriff, sagt Lawrence Douglas. Der bekannte Rechtsprofessor erklärt, welche Optionen der US-Präsident noch hat – und warum man ihn sofort Golf spielen lassen sollte.
Publiziert: 09.01.2021 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2021 um 11:48 Uhr
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Hätte auch lieber unrecht gehabt: Der Rechtswissenschaftler und Vordenker Lawrence Douglas vom Amherst College in Massachusetts.
Foto: Maria Stenzel
Interview: Fabienne Kinzelmann

Er hat es alles vorausgesehen: Professor Lawrence Douglas. Schon im Mai 2020 veröffentlichte der US-Verfassungsexperte ein Buch mit den Schreckensszenarien rund um die Präsidentschaftswahl – vieles, was damals unvorstellbar schien, ist eingetroffen.

Hatten Sie damit gerechnet, dass Trump einen Mob aufhetzt, der das Kapitol angreift?
Lawrence Douglas: Zwischen dem Wahltag und der Amtsübergabe fürchtete ich wegen Trumps Hundepfeifen-Politik auf jeden Fall Gewalt. Zu Beginn der Corona-Pandemie etwa hat er diese «Liberate Michigan!»-Tweets rausgelassen – daraufhin sind seine Unterstützer mit Maschinengewehren vor das Parlament in Lansing gezogen. Ich rechnete allerdings eher mit Angriffen auf Institutionen in den Bundesstaaten, etwa die Orte, an denen die Wahlleute abstimmen.

Ist Donald Trump für den Kapitol-Angriff verantwortlich?
Ja. Nicht in einem rechtlichen Sinne wegen Aufwiegelei. Aber er hat sicher die politische Verantwortung für das Geschehen.

Welche Konsequenzen drohen ihm dafür?
In einer idealen Welt würde er dafür zur Rechenschaft gezogen, weil er seinen Amtseid verletzt und sich als Verfassungsfeind geoutet hat. Es gäbe den 25. Verfassungszusatz. Der ist aber für wirkliche körperliche Unfähigkeit ausgelegt – und Mike Pence unterstützt die Anwendung nicht. Praktikabler wäre das Amtsenthebungsverfahren. Attraktiv an einem erfolgreichen Impeachmentprozess wäre, dass Trump nie wieder für ein höheres Amt kandidieren könnte. Das Wichtigste wäre aber insgesamt, dass führende Republikaner mit ihm brechen – für immer. Wenn es irgendwas Gutes gibt, was aus dem Chaos in Washington entstehen könnte, dann, dass dieser Personenkult gebrochen wird, der auch die republikanische Partei im Griff hält.

Könnte das Impeachmentverfahren auch über den 20. Januar hinaus geführt werden?
Ja, denn es geht dabei auch darum, ihn von weiteren Kandidaturen abzuhalten. Ich mache mir allerdings Sorgen, dass im Senat wie bereits im vergangenen Jahr keine Zweidrittelmehrheit zusammenkommt und Trump wie ein politischer Märtyrer dasteht. Für diese Massnahme braucht es überparteiliche Unterstützung.

Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton hat vorgeschlagen, Trump bis zur Amtsübergabe nach Florida zu schicken. Ist das eine gute Idee?
Auf jeden Fall! Lasst ihn Golf spielen. Es wäre das Beste für alle, wenn Pence und hochrangige Beamte umgehend die Führung des Landes übernähmen. Trump sollte in den verbleibenden zehn Tagen keine Möglichkeit mehr haben, das Land weiter zu destabilisieren.

Was ist das Gefährlichste, was Trump noch anstellen könnte?
Noch hat er die Befehlsgewalt über das Militär. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das seinen Befehlen noch folgen würde – es wäre mindestens sehr, sehr vorsichtig. Trump kann aber auch ohne seine wichtigsten Social-Media-Accounts seine Botschaften weiter verbreiten. Sendet er weiter gewisse Signale aus, nehmen seine Unterstützer das wieder zum Anlass, auf die Strasse zu gehen und Dinge oder Personen anzugreifen – zum Beispiel Parlamentarier wie Mitt Romney auf dem Weg nach Washington. Das ist schändlich.

Republikanische Senatoren wie Ted Cruz und Josh Hawley haben Trump unterstützt und seine Botschaft fleissig verbreitet.
Ich würde mir sehr wünschen, dass Cruz und Hawley dafür abgewählt werden. Beide sind sehr ambitioniert und wollen ins Weisse Haus. Und sie sind extrem intelligent, haben an den besten Universitäten studiert. Sie haben Trump nur aus Opportunismus unterstützt, dafür sollten sie einen politischen Preis zahlen.

Welche Optionen hat Trump noch?
Mit einer Selbstbegnadigung wird er wohl vor den Gerichten nicht durchkommen, das wäre Amtsmissbrauch. Und ich glaube auch nicht, dass Pence ihn begnadigen würde, wenn er noch schnell zurücktritt. Und Trump wird auch nicht zurücktreten. Selbst in den verbleibenden Tagen wird er keine Schwäche zeigen wollen.

Könnte er nach der Amtsübergabe eine Art Parallel-Präsidentschaft installieren?
Nicht im Sinne, dass er behauptet, das Land weiterhin zu führen. Aber er wird die Legitimität des Präsidenten permanent und laut anzweifeln. Seine Niederlage hat er noch nicht eingestanden. Er hat die Rechtmässigkeit von Bidens Sieg nicht anerkannt, sondern nur eine geordnete Amtsübergabe versprochen. Und auch dazu könnte er seine Meinung wieder ändern. Er wird Chaos und Instabilität verbreiten wollen, weil er relevant bleiben will. Er will den Kult um sich selbst weiter befördern.

Zur Person: Lawrence Douglas

Der Jurist und Vordenker Lawrence Douglas (61) hat unter anderem in Heidelberg (D) studiert – «eine sehr langweilige Stadt!» – und lehrt am renommierten Amherst College in US-Bundesstaat Massachusetts. In «Will He Go? Trump and the Looming Election Meltdown in 2020» beschäftigte er sich mit den Szenarien für die Präsidentschaftswahl.

Der Jurist und Vordenker Lawrence Douglas (61) hat unter anderem in Heidelberg (D) studiert – «eine sehr langweilige Stadt!» – und lehrt am renommierten Amherst College in US-Bundesstaat Massachusetts. In «Will He Go? Trump and the Looming Election Meltdown in 2020» beschäftigte er sich mit den Szenarien für die Präsidentschaftswahl.

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