«Recht auf Besitz»
Cassis will Ukraine Oligarchen-Milliarden nicht geben

Am Montag begann die grosse Ukraine-Konferenz in Lugano TI. Polit-Grössen aus aller Welt schmiedeten hier Pläne zum Wiederaufbau der Ukraine.
Publiziert: 02.07.2022 um 11:40 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:36 Uhr
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Die Schweiz ist Gastgeberin der jährlichen Reformkonferenz für die Ukraine.
Foto: keystone-sda.ch

Dieses Wochenende gilt in Lugano TI der Ausnahmezustand – Staatsoberhäupter, Minister und Organisationen aus aller Welt kommen hier zusammen, um am Montag an der «Ukraine Recovery Conference» über den Wiederaufbau der Ukraine zu diskutieren.

Blick gibt im Vorfeld Antwort auf die wichtigsten Fragen rund um die vorerst letzte Etappe im europäischen Gipfelmarathon.

Worum geht es an der «Ukraine Recovery Conference»?

Die Schweiz ist Gastgeberin der jährlichen Reformkonferenz für die Ukraine. Wegen des Kriegs wurde das Treffen am 4. und 5. Juli in Lugano in «Ukraine Recovery Conference» umbenannt. Teilnehmen wird unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Insgesamt sind rund 40 Staaten und 20 internationale Organisationen eingeladen. Die Ukraine plant laut einem «Forbes»-Bericht die Präsentation eines «Marshall-Plans» für den Wiederaufbau.

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Was ist das Ziel der Konferenz?

Das Ziel des Anlasses ist es, Eckwerte für den Wiederaufbau der Ukraine zu setzen. Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis (61) sagte vergangene Woche in Bellinzona, dass der Weg zu einem Wiederaufbau der Ukraine über einen breit abgestützten politischen und diplomatischen Prozess führe. Und: «Diesen Prozess wollen die Schweiz und die Ukraine mit den internationalen Partnern in Lugano lancieren.»

Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba (41) sagte am WEF Ende Mai, er hoffe auf grosse finanzielle Hilfe. Die Ukraine rechnet damit, dass für den Wiederaufbau etwa 600 Milliarden nötig sind. Dabei könnte ein Land wie die Schweiz laut Kuleba etwa eine bestimmte Region in der Ukraine gezielt unterstützen.

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Wie soll die westliche Hilfe konkret aussehen?

Wie man die Ukraine unterstützen kann und soll, wird an der Konferenz in Lugano nicht zum ersten Mal diskutiert – schon am Nato-Gipfel in Madrid oder dem G7-Treffen auf dem bayerischen Schloss Elmau drehte sich beinahe alles ausschliesslich um dieses Thema. Lösungen gibt es viele, den Veranstaltern der Lugano-Konferenz schwebt aber etwas Besonderes vor: eine Art Paten-System für das Land.

Am WEF führte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) die Idee aus: Er stellt sich vor, dass jedes Partnerland die Patenschaft für eine bestimmte Region oder einen Wirtschaftssektor übernimmt und sich so voll und ganz auf den Wiederaufbau dieses Patenkindes konzentrieren kann. Allerdings hofft er, dass die anwesenden Unternehmen und Länder auch eigene Ideen einbringen werden.

Wie hoch sind die Erwartungen an die Konferenz?

Sehr hoch. Die Schweiz könnte als Gastgeberin tatsächlich viel bewirken, sagt der Direktor der Stiftung Swisspeace, Laurent Goetschel.

Blick-Auslandredaktorin Fabienne Kinzelmann fasst zusammen: «Die Konferenz in Lugano ist quasi der Höhepunkt des europäischen Gipfelmarathons der letzten Wochen. Während die Lugano-Konferenz auf den vorherigen Gipfeln aufbaut, soll hier der Grundstein für den Wiederaufbau der Ukraine gelegt werden.»

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Auch der «Marshall-Plan» sorgt für viel Hoffnung. Diesen Vergleich zog Simon Pidoux, der Schweizer Sonderbotschafter für die Konferenz. Der Begriff stammt aus der Nachkriegszeit und beschreibt das riesige US-Hilfspaket, das den Grundstein für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg legte. Am Sonntag, also am Ende der Lugano-Konferenz, soll dann die «Deklaration von Lugano» verabschiedet werden.

Wer wird an dem Anlass teilnehmen?

Es wird die Teilnahme von 40 Ländern und 18 Organisationen aus aller Welt erwartet. Insgesamt rechnet man mit über 1000 Personen.

Bereits angekündigt hat sich die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (63). Auch die Regierungschefs von Litauen, Gitanas Nausėda (58), und der Tschechischen Republik, Miloš Zeman (77), haben sich angemeldet. Cassis geht davon aus, dass die letzten Anmeldungen erst kurz vor Beginn der Konferenz eintrudeln werden.

Selenski selbst wird am Wochenende nicht live in Lugano zu Gast sein, sondern nur per Videoschalte. An seiner Stelle werden der ukrainische Aussenminister Kuleba und Premierminister Denys Schmyhal (46) erwartet. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (64) wird nicht nach Lugano reisen – er und Ursula von der Leyen haben am G7-Gipfel nämlich ihre eigene Wiederaufbau-Konferenz angekündigt.

Welche US-Vertreter in die Schweiz reisen, ist noch nicht bekannt. Vertreter der russischen Regierung fehlen gänzlich auf dem Programm.

Warum findet die Konferenz aus gerechnet jetzt statt?

Wie die ukrainische Blick-Journalistin Olha Petriv erklärt, hat auch das ukrainische Volk einige Erwartungen an die Konferenz. «Die Ukraine sammelt zurzeit vor allem Geld für das Militär – trotzdem ist es nicht zu früh, auch an den Wiederaufbau des Landes zu denken», erklärt sie.

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SVP-Präsident Marco Chiesa (47) sieht das anders, wie er Mitte Juni gegenüber Blick erklärt: «Ich kann diese Lugano-Konferenz nicht unterstützen. Sie macht gar keinen Sinn. Der Krieg ist noch in vollem Gang. Es ist völlig unklar, was überhaupt alles wieder aufgebaut werden muss.»

Cassis und Pidoux widersprechen Chiesa – auch der Marshall-Plan sei bereits zwei Jahre vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgegleist worden, die Uno sogar schon 1941. Und überhaupt: «Wir hoffen alle, dass der Krieg nicht mehr so lange dauert», so Pidoux. Cassis sagte selbst zum Wiederaufbau: «Man kann gar nicht früh genug damit beginnen.»

Wie wird für Sicherheit gesorgt?

Weil die Konferenz, wie der Bund schreibt, «im Kontext starker internationaler Spannungen» steht, werden auch grosse Sicherheitsmassnahmen nötig. Am Freitag hat sich der Bundesrat nun eine Reihe davon genehmigt: Bis zu 1600 Armeeangehörige sollen die Tessiner während der Konferenz unterstützen. Sie sollen Standorte sichern und Material und Fahrzeuge zur Verfügung stellen.

Zudem ist vom 1. bis 8. Juli der Luftraum über Lugano eingeschränkt. Die Luftwaffe stellt einen Luftpolizeidienst und überwacht den Luftraum. Die Konferenz selber findet am Montag und Dienstag statt.

Wird die Bevölkerung stark eingeschränkt sein?

Die Bevölkerung soll so wenig eingeschränkt werden wie nur möglich, hiess es an einer Pressekonferenz Ende Juni. Damit diese hochkarätigen Gäste auch gebührend geschützt werden, wurde für die Konferenz ein spezielles Sicherheitsdispositiv ausgearbeitet. Der Tessiner Polizeikommandant Matteo Cocchi stellte es vor. Dabei werden für die Ukraine-Konferenz auch rote Zonen in der Stadt Lugano geschaffen: Dort haben Zivilisten keinen Zutritt. Diese Zonen sind akkreditierten Personen vorbehalten.

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