Kleine Schweiz, grosser Plan. So etwa klang die Vorbereitung für den Ukraine-Gipfel, der am 4. und 5. Juli in Lugano stattfindet. Bundespräsident Ignazio Cassis (61) taufte die jährliche «Ukraine Reform Conference» extra in «Ukraine Recovery Conference» um: Wiederaufbau – und das mitten im Krieg. Der Gastgeber sprach gar von einer Art Marshallplan, der im Tessin verabschiedet werden soll.
Bei einem Hintergrundgespräch am Donnerstag in Bern klang das nun alles etwas bescheidener. Der Wiederaufbau-Gipfel sei eher ein «Kick-off». Starten wolle man dort: einen Rahmen, ein Kompass, eine gemeinsame Sprache. Also wohl kein historisches Abkommen von Lugano.
«Es geht um Prinzipien für den Wiederaufbau, um den Prozess. Um einen Marshallplan zu verabschieden, sollte der Krieg vorbei sein. Dafür wäre es also zu früh», sagte EDA-Sonderbeauftragter Simon Pidoux zu Blick. «Aber man muss bereit sein, sobald der Krieg vorbei ist. Und dann können wir sofort loslegen. Über diesen Prozess bekommen wir die Instrumente und die Methoden, um den finalen Plan zu entwickeln.»
Nur acht Staats- und Regierungschefs
Erwartet werden mindestens acht Staats- und Regierungschefs, unter anderem aus Polen, Tschechien und Litauen, dazu mindestens 15 Ministerinnen und Minister. Auch EU-Chefin Ursula von der Leyen (63) kommt persönlich. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) hingegen nur virtuell – er hat die Ukraine seit Kriegsbeginn nicht verlassen. Insgesamt sollen bis zu 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Regierungen, internationalen Organisationen, der Zivilgesellschaft der Wissenschaft, der Wirtschaft kommen und bei der zweitägigen Konferenz miteinander ins Gespräch kommen.
Ins Detail gehen die Organisatoren zum Programm noch nicht. Fünf Hauptthemen sollen allerdings im Vordergrund stehen: Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt, Infrastruktur und Digitalisierung. Der Wiederaufbauprozess in der Ukraine müsse auf jeden Fall mit dem Reformprozess Hand in Hand gehen, betonte der EDA-Sonderbeauftragte Pidoux. Die Korruption im Land bleibe ein Thema.
«Der Krieg ist noch da»
Artem Rybchenko (39), Ukraines Botschafter in der Schweiz, betonte, dass Präsident Selenski «von Anfang an» in die Vorbereitungen eingebunden gewesen sei. «Wir brauchen schon jetzt den Wiederaufbau in unserem Land, auch wenn wir noch im Krieg sind. Wir sind dankbar, dass so viele verschiedene Länder und Organisationen kommen und damit auch Solidarität zeigen.»
Es sei auch wichtig, die Situation der Ukrainer zu zeigen. Er sehe zahlreiche Gebiete, wo die Ukraine jetzt dringend Unterstützung brauche – vom Agrarsektor über die IT bis zur Energieversorgung und sozialen Projekten, der medizinischen Versorgung, Schulen und Kindergarten. «Der Krieg ist noch da, und die Leute müssen das verstehen und dürfen es nicht vergessen.»