Die CDU hat ihren Parteitag virtuell abgehalten, die SPD hat ihn auf Mai verschoben. Nur die AfD-Mitglieder treffen sich mitten in der Pandemie zur grossen Parteiversammlung. 600 Leute werden am Wochenende in der Messe in Dresden erwartet, wo sie sich auf die Bundestagswahlen im September einstimmen und ein Wahl- und Bahnsystem nach schweizerischem Vorbild fordern.
Am Parteitag in der sächsischen Landeshauptstadt dürfte es heftig zu und her gehen. Die Partei ist intern zerstritten. Es tobt ein Flügelstreit zwischen eher gemässigten AfD-lern wie dem Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen (59) auf der einen und weiter rechts stehenden Vertretern wie dem Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla (45) oder dem Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland (80) auf der anderen Seite.
Die Schweiz als Vorbild
Den Delegierten in Dresden liegt ein mehr als 70-seitiger Leitantrag der Bundesprogrammkommission zur Diskussion und Abstimmung vor. Der Antrag schürt das Misstrauen gegen die Parteien und die repräsentative Demokratie. Gefordert werden unter anderem «Volksentscheide nach Schweizer Modell auch für Deutschland».
Im Antrag heisst es: «Die uneingeschränkte Volkssouveränität in ihrer fast 200 Jahre bewährten und optimierten Gestaltung hat dem eidgenössischen Bundesstaat eine fortwährende Spitzenstellung in Wohlstand, Frieden und Freiheit gewährleistet.» Als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien würde die AfD das deutsche Volk für ebenso mündig halten, wie das in der Schweizer Politik der Fall sei.
Konkret soll das deutsche Volk in Entscheidungen über «fundamentale Krisen von Währung, Migration, Islam und Energie» eingebunden werden. Auch beim öffentlichen Verkehr soll sich Deutschland am «einfachen und zuverlässigen» Modell der Schweiz orientieren.
Zurück zum europäischen Staatenbund
Der Antrag spricht sich ausserdem für «ein Europa der Vaterländer» und eine «Zurückführung der Europäischen Union in einen Staatenbund souveräner Staaten» aus. Deutschland müsse umgehend aus «dem untergehenden Eurosystem» austreten, in Europa sollten wieder nationale Währungen eingeführt werden.
Der noch jungen Partei droht die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, den deutschen Inlandsgeheimdienst. Noch läuft zu dieser Frage ein Gerichtsstreit vor dem Kölner Verwaltungsgericht zwischen der AfD und der Behörde.
Kritisch gegenüber Massnahmen
Die Rechtspartei ist für ihre kritische Haltung gegenüber den staatlichen Lockdown-Massnahmen bekannt. Schon im Februar hatte die sächsische Landespartei in Dresden einen Parteitag mit 700 Personen abgehalten. Dutzende Mitglieder erschienen mit Attest und ohne Maske. Sie mussten unter Kontrolle von Mitarbeitern des Ordnungsamtes Warnwesten tragen und sich separat aufhalten.
An Ostern trafen sich AfD-Sympathisanten in Dresden zu einem Autokorso, an dem gegen die Corona-Massnahmen protestiert wurden. Trotz Demo-Verbot wurden rund 170 Fahrzeuge gezählt.
Schon vor einem Jahr trafen sich in Berlin 68 AfD-Abgeordnete zu einer Sitzung. Wer aus Sicherheitsgründen zu Hause blieb und per Telefon zugeschaltet werden wollte, hatte kein Stimmrecht.
Kein Verbot
Trotz strikter Corona-Massnahmen macht die AfD nichts Verbotenes: Grossveranstaltungen sind nur untersagt, wenn sie der Unterhaltung dienen.
Aber auf der Homepage zum Parteitag gibt es nicht einmal eine Empfehlung dafür, wie man sich am Grossanlass covid-gerecht verhalten soll. Es wird nur darauf hingewiesen, dass «leider definitiv keine Gäste zugelassen werden».
Bei den Landtagswahlen im deutschen Südwesten Mitte März waren die Rechtspopulisten die grossen Verlierer: Mehr als fünf Prozentpunkte büsste die AfD in Baden-Württemberg ein, gut vier Punkte verlor sie in Rheinland-Pfalz. Es sieht danach aus, dass die einstige Senkrechtstarter-Partei ihren Zenit überschritten hat.