Die Reaktionen auf die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) vor dem US-Kongress zeigen die Kluft zwischen den Republikanern, die den Kampf der Ukraine gegen Russland weiterhin finanziell unterstützen wollen, und denjenigen, welche die Milliarden an US-Hilfsgeldern zunehmend kritisch sehen. Rund 50 Milliarden Dollar haben die USA bereits in den Krieg in der Ukraine gesteckt. Weitere 45 Milliarden sollen am Freitag verabschiedet werden.
«Ist es genug? Nicht wirklich», sagte Selenski. In den Reihen der Republikaner sorgte dies teilweise für Verärgerung. Während die Demokraten Selenski geschlossen mit stehenden Ovationen würdigten, blieben bei den Konservativen einige Zuhörer demonstrativ sitzen, darunter Lauren Boebert (36), Matt Gaetz (40) und Jim Jordan (58).
Gegen «Blankochecks»
Die Kritiker der umfangreichen Ukraine-Hilfen vermuten unter anderem eine mangelnde Kontrolle bei der Verwendung der gesprochenen Mittel. Angesichts der immer neuen Zusagen bezeichnen sie die Zahlungen als «Blankoscheck». Andere geben zu bedenken, dass sie das Geld lieber im eigenen Land einsetzen würden.
«Nicht genug? Was ist genug? Ich habe genug von diesem Thema», nervt sich der republikanische Abgeordnete Andy Biggs (64) auf Twitter. «Keine Blankochecks für die Ukraine», fordert er. Der Republikaner Gaetz kritisiert, dass Milliarden von Steuergeldern für die Ukraine ausgegeben würden, während sich die USA in einer Krise befinde. «Das ist die Definition von ‹Amerika zuletzt›», sagt Gaetz in Anspielung auf das Wahlversprechen «America first» («Amerika zuerst») von Ex-US-Präsident Donald Trump (76). Den Applaus für Selenski im Kongress bezeichnet Gaetz als «Nordkorea-ähnliches Theater».
Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene (48) blieb der Selenski-Rede im Kongress gänzlich fern. Auf Twitter hatte sie bereits im Vorfeld Kritik am US-Besuch des ukrainischen Präsidenten geübt. Dabei verpasste sie auch dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden (80) einen Seitenhieb, indem sie ihm unterstellte, von Selenski gesteuert zu werden. «Natürlich kommt der Schattenpräsident in den Kongress und erklärt, warum er für den 51. Bundesstaat, die Ukraine, Milliarden an Dollar der amerikanischen Steuerzahler benötigt», schrieb Taylor Greene auf Twitter. «Das ist absurd. Setzt Amerika an erste Stelle!»
Machtverschiebung im Repräsentantenhaus
Victoria Spartz (44), eine in der Ukraine geborene Republikanerin und Kongressabgeordnete, sagt, sie denke, dass die Republikaner die Unterstützung für die Ukraine fortsetzen würden. Gleichzeitig schliesst sie sich aber der Forderung anderer Mitglieder ihrer Partei an, dass die Biden-Administration mehr Rechenschaft darüber ablegen müsse, wie die vom Kongress zugewiesenen Gelder ausgegeben würden.
Die Kritik einiger Konservativer an den Ukraine-Hilfen erhält durch den Umstand zusätzliche Brisanz, dass das Repräsentantenhaus im nächsten Jahr von den Republikanern kontrolliert wird. Die Republikaner werden in der Kammer mit 222 Sitzen gegenüber den 212 demokratischen Sitzen über eine Mehrheit verfügen. Der Senat wird weiterhin von den Demokraten geführt. Angesichts des gespaltenen Kongresses dürfte es ab dem nächsten Jahr schwieriger werden, Ausgaben zu verabschieden.
McCarthy unter Druck
Selenski versuchte, diesem Umstand Rechnung zu tragen. In einem Appell an die Gesetzgeber sagte er am Mittwoch, die Hilfe für die Ukraine sei keine Wohltätigkeit, sondern «eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie, mit der wir sehr verantwortungsvoll umgehen».
Den Abgeordneten Kevin McCarthy (57) konnte er damit nur bedingt überzeugen. Der Republikaner will sich zum neuen Sprecher des Repräsentantenhauses wählen lassen und benötigt dafür auch die Stimmen jener Parteikollegen, die den Ukraine-Hilfen kritisch gegenüberstehen. «Es war eine sehr gute Rede», sagte McCarthy nach Selenskis Besuch zu CNN. «Er hat die Gründe aufgezählt, warum die freie Welt seinen Kampf weiterhin unterstützen will. Meine Position hat sich nie verändert. Ich unterstütze die Ukraine, aber ich werde nie einen Blankocheck ausstellen.»