In der neuen Taliban-Regierung scheint es gewaltig zu krachen. Von Geschlossenheit der Islamisten, wie es von aussen den Anschein erweckt, keine Spur.
Seit vergangener Woche ist der stellvertretende Ministerpräsident Mullah Abdul Ghani Baradar (53) nicht mehr öffentlich aufgetreten. Es heisst, er sei nach Kandahar gereist oder – je nach Sichtweise – geflohen.
Es gibt Gerüchte, wonach es zu einem Streit zwischen Anhängern Baradars und Anhängern des Innenministers Siradschuddin Haqqani gekommen sei. BBC berichtet, dass die Islamisten im Präsidentenpalast sogar mit Fäusten aufeinander losgegangen seien.
Streit um Ausrichtung
Grund für den Krach soll die zukünftige Ausrichtung und Zusammensetzung der Regierung gewesen sein. Baradar steht für einen relativ diplomatischen Kurs mit dem Westen, die Haqqanis setzen auf Konfrontation und militärische Mittel. Das Haqqani-Netzwerk, dem der Innenminister vorsteht, ist von den USA als Terrorgruppe eingestuft worden.
Inzwischen gab es auch Meldungen, wonach Baradar erschossen worden sei. Ein Sprecher der Islamisten wies dies aber zurück und veröffentlichte ein Video, das Baradar bei einem Treffen in Kandahar zeigen soll. Ob das Video echt ist, ist allerdings nicht bestätigt.
Auch der oberste Talibanführer Mullah Hibatullah Achundsada (60) ist wie vom Erdboden verschluckt, was Erinnerungen an das Verschwinden von Taliban-Mitbegründer Mullah Omar weckt. Das Staatsoberhaupt der ersten Taliban-Herrschaft war 2013 in einem Spital – möglicherweise an Tuberkulose – gestorben, offiziell bestätigt wurde sein Tod aber erst zwei Jahre später. (gf)