Ein weisser Turban, ein grau-schwarzer Bart und ein zwar bestimmter, aber eher etwas müder Blick: Das ist Hibatullah Achundsada, der mysteriöse oberste Führer der Taliban, der als Emir über die neue Regierung und die Umsetzung der Scharia in Afghanistan wachen wird.
Viel weiss man über das wohl 1961 geborene Taliban-Oberhaupt aus der Provinz Kandahar nicht. Seit er 2016 zum Nachfolger des durch einen Drohnenangriff getöteten Akhtar Mohammed Mansur (1968–2016) bestimmt worden war, liess er sich an der Öffentlichkeit nicht mehr blicken.
Sohn geopfert
Bekannt ist, dass er ein strenger Geistlicher ist, der 2017 sogar seinen Sohn Abdur Rahman auf einem afghanischen Militärstützpunkt in Helmland als Selbstmordattentäter opferte. Als die Taliban zwischen 1996 und 2001 mit einer strengen Auslegung der Scharia regierten, den Frauen die Arbeit verboten und Steinigungen durchführten, diente Achundsada nach Angaben der Vereinten Nationen als kompromissloser Leiter des Justizsystems.
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Er sei auch dafür gewesen, dass die Taliban 2001 die berühmten, bis 53 Meter hohen Buddha-Statuen von Bamiyan zerstörten, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörten.
Nach dem Einmarsch der Amerikaner 2001 floh er nach Pakistan, wo er 15 Jahre lang in einer Moschee lehrte und predigte. Ein ehemaliger Schüler erinnert sich: «Er sprach mit viel Nachdruck über die USA und den Krieg und dass wir unseren Dschihad nicht aufgeben sollten.»
Hibatullah Achundsada unterscheidet sich zu andern Taliban-Chefs dadurch, dass er sich nicht durch eine Militärkarriere, sondern durch sein religiöses Engagement emporgearbeitet hat. Er gilt als unbestechlich und – im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der im Luxus lebte – als höchst bescheiden.
Hart oder integrativ?
Wie wird sich Afghanistan unter ihm entwickeln? Wenn er heute immer noch der Hardliner von damals ist, müssen die Afghanen ihre Hoffnungen auf gemässigte Kleidervorschriften, Bildung für Frauen und Zugang zu Vergnügungen begraben. Ihm wird allerdings auch ein Talent zur Integration nachgesagt, was der Vermittlung zwischen Hardlinern und gemässigten Kräften dienen könnte.
Bei seinem Antritt als Emir sagte Achundsada: «Wir werden unser vom Krieg zerrissenes Land wieder aufbauen.» Er versprach auch, dass die Taliban allen internationalen Gesetzen, Verträgen und Verpflichtungen verpflichtet seien, die nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stünden. (gf)