Alle Augen richten sich nach Warschau: Am Dienstagabend hält US-Präsidet Joe Biden (80) eine Rede in der polnischen Hauptstadt. Anlass ist der Ukraine-Krieg, der sich schon bald über ein Jahr erstreckt.
Dass Biden entschlossen hinter der Ukraine steht, machte er am Montag erneut deutlich. Bei einem Überraschungsbesuch in Kiew traf er sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45).
Kein «rhetorischer Wettstreit» mit Putin
Für seine Rede in Warschau hat Biden mit dem Königsschloss wieder einen besonderen historischen Ort gewählt: Das Schloss gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst von Nazi-Deutschland grossteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt.
Zuletzt hatte Biden im März 2022 Polen besucht – rund einen Monat nach Kriegsausbruch. Schon damals hatte Biden eine viel beachtete Rede gehalten, in der er der Ukraine Beistand zusicherte und Kremlchef Wladimir Putin (70) scharf angriff. Für viel Wirbel sorgte in jener Rede eine Aussage zu Putin: «Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben», sagte Biden damals. Das Weisse Haus stellte später klar, der Präsident habe damit nicht zum Sturz Putins aufgerufen.
Am Dienstagvormittag wandte sich Putin bereits an sein Volk. In einer Rede zur Lage der Nation kündigte der Kremlchef an, dass Russland den atomaren Abrüstungsvertrag «New Start» aussetzen werde. Der «New Start» ist das einzige noch verbliebene grosse Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland.
Obwohl er den Einmarsch in die Ukraine selbst angeordnet hatte, schob Putin in seiner Rede zum wiederholten Mal dem Westen die Schuld an dem Krieg zu. «Sie haben den Krieg losgetreten», sagte er in Richtung westlicher Staaten. Russland versuche lediglich, die Kämpfe zu beenden. Einmal mehr sagte Putin, in der Ukraine sei ein «Neonazi-Regime» an der Macht. Die «militärische Spezialoperation» – wie Moskau den Krieg bezeichnet – werde fortgesetzt. «Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen.»
Dass nun Biden am selben Tag eine Rede hält, wirkt wie eine Art Fernduell. Das Weisse Haus betonte aber, die Choreografie sei nicht beabsichtigt gewesen. Datum und Zeitpunkt der Ansprache seien nicht wegen Putins Auftritt gewählt worden, sondern wegen des nahenden Jahrestages des Kriegsbeginns, sagte Bidens Berater Jake Sullivan (46). «Dies ist kein rhetorischer Wettstreit mit irgendjemand anderem.» Dem US-Präsidenten gehe es vielmehr darum, ein Jahr nach dem Beginn des Krieges über die Stärke der Demokratie zu sprechen.