Joe Bidens (80) Besuch fällt gerade in die Zeit, in der die Russen eine neue massive Offensive angekündigt haben. Die Reise nach Kiew war daher streng geheimgehalten und die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht worden. So wurden in Kiew viele Strassen abgesperrt.
Noch vor wenigen Tagen hatten seine Mediensprecher einen Besuch in der Ukraine abgestritten. Am Samstagabend wurde Biden mit seiner Frau Jill (71) in Washington sogar noch in einem Restaurant gesehen.
Der Transponder wurde ausgeschaltet
Biden ist am Sonntagmorgen um 4.15 Uhr Ostküstenzeit im Schutz der Dunkelheit in Joint Base Andrews in Maryland nach Polen abgeflogen – mit Tankstopp auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im deutschen Ramstein. Dabei habe er nicht das übliche Flugzeug der US-Präsidenten – die als Air Force One bekannte umgebaute Boeing 747 – genutzt, sondern eine kleinere und damit weniger auffällige Maschine: eine Boeing C-32.
Der Transponder wurde ausgeschaltet, damit der Flug nur schlecht verfolgt werden konnte. Begleitet wurde die Präsidentenmaschine von einer Boeing C-17 Globemaster III, die technisches Material für Bidens Besuch mit sich führte.
Aus Sicherheitsgründen begleitete nur ein kleines Team den Präsidenten. Es bestand aus seinen engsten Helfern, einem Ärzteteam und Sicherheitsbeamten. Ebenfalls an Bord befanden sich zwei Journalisten. Sie wurden zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet.
Mehr zum gefährlichen Besuch in Kiew
«Anreiseinformationen für das Golfturnier»
Sabrina Siddiqui war eine Journalistin, die Biden bei der Reise ins Kriegsgebiet begleitete. Informiert wurde sie am Freitag von der Kommunikationsdirektorin des Weissen Hauses.
Details zur Abreise habe sie in einem späteren Mail erfahren. Der Betreff des Mails: «Anreiseinformationen für das Golfturnier».
Bei der Abreise seien den Journalisten die Handys abgenommen worden. Die Sicherheitsleute verwahrten die Geräte bis zur Ankunft in der US-Botschaft in Kiew.
Zehnstündige Zugreise ins Kriegsgebiet
Biden traf am Montag um 8 Uhr Ortszeit (7 Uhr Schweizer Zeit) in Kiew ein. Am Abend zuvor landete er in der polnischen Stadt Rzeszow, von wo aus der grenznahe Bahnhof in Przemysl mit dem Auto angefahren worden sei. Siddiqui berichtet von einer einstündigen Autofahrt. Die präsidiale Autokolonne habe mindestens 20 Fahrzeuge gezählt. Gefahren sei man ganz ohne Blaulicht, um möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Um 21.15 Uhr Ortszeit habe Biden den Bahnhof erreicht. Die Wagenkolonne sei direkt an einen violetten Zug herangefahren. Siddiqui berichtet von einem massiven Aufgebot an Sicherheitsleuten, das im Zug, der acht Waggons zählt, mitreiste.
Biden ist ein überzeugter Zug-Fahrer: 36 Jahre lang pendelte er als Abgeordneter und sogar als Vize-Präsident selbst mit dem Zug von seinem Wohnort in Wilmington, Delaware, nach Washington. Eine Strecke dauert 90 Minuten.
Um 22 Uhr hat Biden gemäss der mitgereisten Reporterin die Grenze zur Ukraine überquert. Die Reise dauerte rund zehn Stunden. Dabei habe es eine Handvoll Zwischenstopps gegeben, schreibt Siddiqui: «Es war nicht immer klar, was der Grund für die Stopps war.» Mindestens einmal seien weitere Sicherheitsleute zugestiegen.
Putin kurz vor Ankunft informiert
Der Kreml wusste von Bidens Besuch – allerdings erst kurz vor seiner Ankunft. Russland sei wenige Stunden vorher über die Reisepläne unterrichtet worden, um eine ungewollte Eskalation zu vermeiden, erklärte das Weisse Haus. Der Kreml bestätigte später, vorab in Kenntnis gesetzt worden zu sein.
Bei der Ankunft in Kiew sei Biden von der US-Botschafterin in der Ukraine Bridget Brink empfangen worden. «Es ist gut, wieder in Kiew zu sein», soll Biden nach dem Aussteigen als erstes gesagt haben. Es folgte das Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) im Marienpalast.
Um 13.10 Uhr Ortszeit stieg Biden in denselben Zug, um zurück nach Polen zu reisen. In der polnischen Hauptstadt Warschau plant Biden unter anderem ein Treffen mit Präsident Andrzej Duda (50) sowie eine Rede am Warschauer Königsschloss zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine.
Das Weisse Haus betonte, Bidens Reise in ein aktives Kriegsgebiet sei – trotz langer und penibler Vorbereitung – angesichts der Sicherheitsrisiken ungewöhnlich gewesen. Besuche früherer US-Präsidenten etwa in Afghanistan oder im Irak, die auch jeweils bis zum Schluss geheimgehalten worden waren, seien einfacher gewesen, weil das US-Militär dort für Schutz und Logistik vor Ort gewesen sei – anders als in der Ukraine.