Im Ukraine-Krieg ist kaum ein Ort symbolträchtiger als die Halbinsel Krim. 2014 von Russland annektiert, rückte die Halbinsel im Schwarzen Meer zu Beginn von Wladimir Putins (70) Einmarsch in die Ukraine wieder in den Fokus des Geschehens. Während der Kreml überzeugt ist, Anspruch auf die Krim zu haben, definiert der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) die Rückeroberung der gesamten Ukraine, inklusive Krim, nach wie vor als Kriegsziel mit höchster Priorität.
Obwohl Experten eine Einnahme der Krim durch die Ukraine vor wenigen Wochen noch als schwierig betrachteten, könnte sich das Blatt nun wenden – und zwar zugunsten der Ukraine. Grund dafür sind die USA, die aktuell einen ihrer kühnsten Schritte wagen könnten. Wie die «New York Times», berichtet, zieht US-Präsident Joe Biden (80) in Erwägung, der Ukraine bei einem Krim-Angriff zu helfen.
Demnach sollen US-Beamte zusammen mit ihren ukrainischen Kollegen über den Einsatz amerikanischer Waffen beraten. Dabei fahren die beiden Parteien die grossen Geschütze auf: Von Himars-Raketensystemen bis hin zu Bradley-Kampffahrzeugen soll alles zur Diskussion stehen.
Möglicher Wendepunkt im Ukraine-Krieg
Wie die Zeitung weiter schreibt, wolle man mit den hochpräzisen Waffensystemen die von den Russen kontrollierte Landbrücke angreifen. Sie fungiert als wichtige Versorgungsroute und verbindet die Krim mit den vom Kreml besetzten Städten Melitopol und Mariupol mit Russland.
Dennoch scheint Biden noch nicht bereit zu sein, alle Register zu ziehen. Die Langstreckenraketensysteme, welche Kiew benötigen würde, um russische Stellungen auf der Halbinsel anzugreifen, liefert der Demokrat noch nicht. Nichtsdestotrotz könnte die Entscheidung des US-Präsidenten, der Ukraine die Bradley-Panzer zu liefern, ein wichtiger Wendepunkt im Ukraine-Krieg darstellen. Dabei handelt es sich um mit leistungsstarken 25-Millimeter-Kanonen und Lenkraketen ausgestattete Schützenpanzer, die es mit den russischen Panzern aufnehmen können.
Frederick B. Hodges (64), dem ehemaliger obersten Befehlshaber der US-Armee in Europa zufolge, sollen die Bradleys bereits in den kommenden Monaten zum Einsatz kommen und einen Angriff auf die Landbrücke möglich machen.
Wird Putin bei einem Krim-Angriff zu Nuklearwaffen greifen?
Dank der direkten Hilfe der Vereinigten Staaten, um welche die ukrainischen Beamten die Grossmacht seit Monaten angefleht hatte, kann die Ukraine nun, erneut einen Vorstoss wagen – einschliesslich des Angriffs auf die Krim.
Dem ukrainischen Militär und den amerikanischen Beamten zufolge ist es essenziell, insbesondere den Druck auf Russlands Stützpunkte auf der Krim zu erhöhen, um so die ukrainischen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld in anderen Teilen der Ukraine zu unterstützen. Mit der Schwarzmeerflotte ist einer der wichtigsten russischen Marinestützpunkte auf der Krim stationiert. Mithilfe von Kommandoposten und Logistikzentren unterstützen Putins Bluthunde von da aus die russischen Operationen in der Südukraine.
Eins steht fest: Ein Angriff auf die Halbinsel würde eine neue Eskalationsstufe bedeuten und Experten zufolge mit einem Blutbad enden. Die Sorge, dass Putin bei einem Angriff auf die Krim zu einem drastischen Gegenschlag ausholen könnte, sei den ukrainischen Funktionären durchaus bewusst, wie die Zeitung weiter schreibt. Laut Beamten hat sich die Befürchtung, dass Putin zu Nuklearwaffen greifen könne, gelegt: «Ich habe den Eindruck, dass die Regierung zunehmend erkennt, dass die Gefahr einer russischen Eskalation vielleicht nicht so gross ist, wie sie früher dachte», sagt General Hodges zur Zeitung.
Politikforscherin Dara Massicot ist der gleichen Meinung: «Die Krim wurde bereits mehrfach angegriffen, ohne dass es zu einer massiven Eskalation seitens des Kremls gekommen wäre.»
Planung soll schon nächste Woche starten
Das Ziel eines Angriffs auf die Halbinsel sei es, Russland glauben zu lassen, dass die Krim in Gefahr sei und so die Position der Ukraine bei künftigen Verhandlungen zu stärken. «Ohne die Krim fällt die ganze Sache auseinander», sagte Evelyn Farkas (55), die oberste Pentagon-Beauftragte für die Ukraine unter der Obama-Regierung.
Dennoch würden die ukrainischen Beamten nach Angaben eines hochrangigen US-Beamten keinen anderen Ausweg mehr sehen. Die Befürchtung sei, dass wenn man die Krim jetzt nicht ins Visier nehme, die Ukraine am jahrelangen Stillstand des Konflikts zugrunde gehe.
Bereits diese Woche sollen sich hochrangige amerikanische und ukrainische Befehlshaber in Deutschland treffen, um die Offensivplanung in Angriff zu nehmen. (dzc)