So beseitigen ukrainische Profis Minen und Raketen im Kriegsgebiet
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Lebensgefährliche Operation:So beseitigen ukrainische Profis Minen und Raketen

Brandgefährliche Aufräumarbeiten bei Kiew – Blick war bei Entschärfung von Blindgängern dabei
Hier jagen Ukrainer russische Raketen in die Luft

Die Ukraine gleicht einem Minenfeld. Viele Raketen sind nicht explodiert, Tausende Granaten und Minen liegen herum. Blick war dabei, als Spezialisten in einer Sandgrube bei Kiew russische Munition gezielt in die Luft jagten. Fast wäre der Journalist getroffen worden.
Publiziert: 25.04.2022 um 21:55 Uhr
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Sprengung in der Sandgrube: Hier fliegen tonnenweise russische Granaten und Raketen in die Luft.
Foto: Screenshot Polizeivideo
Guido Felder

Während sich die russischen Truppen zurzeit auf die Eroberung der Ostukraine konzentrieren, hat in der Region Kiew das grosse Aufräumen begonnen. Die Invasoren haben Tausende von Geschossen abgefeuert, als sie die Hauptstadt bis am 2. April belagerten. Ebenfalls Tausende der Geschosse sind nicht explodiert und liegen als hochgefährliche Blindgänger auf Strassen und Feldern.

US-Geheimdienste gehen davon aus, dass bis zu 60 Prozent der abgefeuerten russischen Geschosse ausfallen. Das reicht von Fehlstarts bis zu Raketen, die beim Aufprall nicht explodieren. Bilder von im Boden steckenden Raketen in einem Kindergarten, einer Küche oder auf einem Spielplatz gingen um die Welt.

Aber auch unbenutzte Raketen, Granaten und Minen liegen herum, weil sie die Russen beim Abzug absichtlich zurückgelassen hatten. Weniger Gewicht sorgte dafür, dass die Truppen mit ihren Gefährten nicht im Morast steckenblieben und schneller vorwärtskamen.

Sprengung in der Sandgrube

Solche scharfe Munition wird nun laufend unschädlich gemacht. Der in der Schweiz lebende freie Journalist Raimond Lüppken (50) konnte für Blick einer Sprengung beiwohnen, bei der zahlreiche BM-21-Grad-Raketen vernichtet wurden, welche die Russen in Batterien abfeuern. Aber auch Hunderte von Artilleriegranaten, Minen und Patronen von Maschinengewehren wurden unschädlich gemacht.

Die heikle Mission einer Kiewer Polizeieinheit fand am vergangenen Mittwoch in einer Sandgrube in Boryspil westlich der Hauptstadt statt, in der auch Schiessübungen abgehalten werden. «Die Ukrainer liessen mich bis auf zehn Meter an die Munition heran, um sie mir zu zeigen», erzählt Lüppken. «Eine Fehlmanipulation, und wir wären alle in die Luft geflogen! Die Fachleute arbeiteten aber sehr vorsichtig und gewissenhaft.»

Glück gehabt

Die Spezialisten schichteten die gefundenen Waffen zu Haufen auf und verkabelten sie. Dann mussten alle weg. Lüppken: «Wir warteten ausserhalb der Grube in rund 500 Metern Entfernung, bis die Munition aus der Ferne gezündet wurde.» Sein Kollege, der belgische Videojournalist Arthur De Poortere (30), montierte seine Kamera am Rand der Grube und löste sie per Fernbedienung aus.

Die Druckwelle der Explosion war auch in dieser Entfernung enorm. Die Polizisten und Journalisten rannten hinter Bäume. Es war knapp: «Kaum war ich in Deckung, spürte ich, wie ein Splitterteil gegen den Baum krachte», berichtet Lüppken.

Überall prasselten Splitter der gewaltigen Detonation auf die Strasse. Auch Sand aus der Grube flog Lüppken um die Ohren. «Die Strasse war mit einer drei Zentimeter dicken Sandschicht bedeckt, überall lagen kleine Trümmerteile herum», sagt Lüppken. Noch Stunden nach der Explosion litt er wegen der Druckwelle an Kopfschmerzen.

Gezielt Felder verminen

Der Aufwand, um Blindgänger zu sichern und zu beseitigen, ist enorm. «Die Spezialisten erzählten mir, dass man bei einem Krieg, der ein Jahr dauert, zehn Jahre für die Entschärfung und Entsorgung solcher Munition benötige», sagt Lüppken. Auch die Kosten sind gewaltig: Kostet die Herstellung einer Mine fünf Franken, betrage deren Entsorgung 500 Franken.

Die Spezialeinheit der Kiewer Polizei wolle nun mehr Personal ausbilden, um den Zeitrahmen für diese heikle Mission zu reduzieren.

Besonders verwerflich sei, dass die Russen gezielt Minenwerfer einsetzten, mit denen sie ganze Felder beschiessen und unbenutzbar machen könnten. «Für die Ukraine als eine der grössten Weizenproduzentin wird es so fast unmöglich, Landwirtschaft zu betreiben. Dieser gezielte Angriff auf die Grundversorgung der Ukraine und damit auch Europas wird viele Bauern das Leben kosten», sagt Lüppken.

Trügerische Ruhe in Kiew

Journalist Lüppken beobachtet den Krieg von Kiew aus, wo er sich eine Wohnung gemietet hat. Nach dem Rückzug der Russen sei wieder Leben eingekehrt, berichtet er. «Viele Geschäfte haben wegen Personalmangels noch geschlossen, aber Lebensmittelläden und Banken sind geöffnet. Auch die Metro fährt teilweise wieder», erzählt Lüppken.

Doch die Ruhe trügt wohl. Bürgermeister Vitali Klitschko (50) warnte diese Woche in den Medien: «Kiew war und bleibt ein Ziel des Aggressors.» Es sei alles möglich. «Chemische Waffen oder Atomwaffen – wir rechnen mit allem.»

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