Auf einen Blick
- Netanyahu in der Kritik: Geiseln fühlen sich im Stich gelassen
- Befreite Geisel Luis Har (70) wirft Regierung schlechte öffentliche Diplomatie vor
- Viele Geiseln noch immer in Gaza
Benjamin Netanyahu (75) ist in Israel ein umstrittener Mann. Nicht jeder Einwohner des Landes ist mit der Politik des Premiers einverstanden. Eines der Streitthemen: Viele nehmen es ihm übel, dass es ihm auch nach über einem Jahr noch nicht gelungen ist, alle Hamas-Geiseln aus dem Gazastreifen nach Hause zu holen. Seit Monaten demonstrieren Tausende in der einzigen Demokratie im Nahen Osten für einen Geisel-Deal.
Am Mittwoch legten die befreite Geisel Luis Har (70) und der Sohn der Hamas-Geiseln Gadi und Margalit Moses, Yair Moses, mit weiterer Kritik gegen den Ministerpräsidenten nach. Im Gespräch mit Ynet, Israels grösstem und beliebtestem Nachrichtenportal, machten sie ihrem Ärger Luft. «Ich hätte nie geglaubt, dass Israel seine eigenen Leute im Stich lassen würde», kritisierte Har, der im vergangenen Februar nach 129 Tagen Gefangenschaft im Rahmen einer israelischen Operation befreit werden konnte.
Luis Har macht Netanyahu Vorwürfe
Die Aussagen, die Har wählte und die Tausende Israelis erreicht haben dürften, werden Netanyahu mit grosser Sicherheit überhaupt nicht gefallen. «Wir wurden gerettet, aber einige von uns sind immer noch dort. Unsere Herzen sind gebrochen. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas passieren könnte. Es heisst, dass in Israel niemand zurückgelassen werde, aber in Wirklichkeit sind immer noch 101 Geiseln dort», bemängelte Har.
Der gebürtige Argentinier setzt sich weltweit für die Freilassung der Geiseln ein. Vor allem eine Sache wirft er Netanyahu vor: «Unser Fehler liegt in unserer öffentlichen Diplomatie.» Die Welt wisse nicht, was am 7. Oktober passiert sei, sehe nur die andere, palästinensische Seite.
Minister sollen sich nicht bei Geiseln gemeldet haben
Das Leben als Geisel sei hart gewesen. «Das wenige Essen, das wir bekamen, kam von der Hamas. Es gab Tage in der Gefangenschaft, an denen wir nur Pitabrot hatten; die in den Tunneln bekamen manchmal nicht einmal das», sagte er. Bereits im März hatte er der britischen «Daily Mail» gesagt, dass die Terroristen sie «wie Hunde» behandelt hätten.
Yair Moses schloss sich Hars Kritik an. Er monierte die mangelnde Kommunikation der Regierung mit den Angehörigen der Geiseln. «Wir haben keine Ahnung, was in den Verhandlungen passiert oder mit wem gesprochen wird – keine der Familien bekommt Informationen», erklärte er. «Die Minister sind mehr daran interessiert, an der Macht zu bleiben. Wir sind nicht ihre Priorität.» Auch bei seinen Eltern habe sich nach ihrer Freilassung kein einziger Minister gemeldet.