Auf einen Blick
- Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehl gegen Israels Premierminister erlassen
- Aussenpolitiker uneinig: SP für Vollstreckung, SVP warnt vor Gefährdung der Vermittlerrolle
- Israelitischer Gemeindebund: Schweiz soll rechtliche Möglichkeiten vor Umsetzung prüfen
Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (75) und den ehemaligen Verteidigungsminister Joaw Galant (66) erlassen. Den beiden werden im Rahmen der Militäroperation gegen die Terrororganisation Hamas «Kriegsverbrechen» und «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» vorgeworfen.
Müsste auch die Schweiz die beiden israelischen Politiker bei einer Einreise verhaften? Ja, lautet die Antwort an sich.
Das Bundesamt für Justiz im Departement von Bundesrat Beat Jans (60, SP) erklärt gegenüber Blick: Man habe das «Römer Statut» – die rechtliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs – unterzeichnet und sei verpflichtet, mit dem Gericht zusammenzuarbeiten. Grundsätzlich müsste die Schweiz Netanyahu bei einer allfälligen Einreise verhaften, sofern ein Haftbefehl bestehe.
SP-Molina und SVP-Grüter uneinig
Doch so einfach die Antwort auf juristischer Ebene ist, so brisant ist sie auf politischer Ebene. Israel ist ein Land, mit dem die Schweiz enge Beziehungen pflegt. So verlautet das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis (63, FDP) laut SRF denn auch nur, man habe den Haftbefehl zur Kenntnis genommen. Man respektiere die Unabhängigkeit des Gerichtshofs.
Aussenpolitiker im Parlament reagieren unterschiedlich auf die Haftbefehle. Für SP-Nationalrat Fabian Molina (34) ist klar: Die Schweiz sei grundsätzlich verpflichtet, Haftbefehle des Internationalen Gerichtshofs zu vollstrecken. «Ausnahmen darf es keine geben – niemand steht über dem Recht.»
SVP-Nationalrat Franz Grüter (61) ist anderer Meinung. «Die Schweiz setzt ihre Rolle als Konfliktvermittlerin aufs Spiel, wenn sie die Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder vollstreckt. Denn es betrifft in diesem Fall sowohl Israel als auch die Hamas.» Gerade bei allfälligen Gesprächen über einen Waffenstillstand könnte die Schweiz eine wichtige Rolle spielen. Zudem ist in Grüters Augen der völkerrechtliche Schutz höher zu gewichten als der Vollzug des Strafbefehls.
Eine «Verpolitisierung» verhindert
Jonathan Kreutner (45), Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, sagt, dass die Schweiz zwar grundsätzlich verpflichtet sei, solche Urteile umzusetzen. «Allerdings erwarten wir von der Schweiz, dass sie vor einer allfälligen Umsetzung die rechtlichen Möglichkeiten sorgfältig prüft.»
Israel sei ein Rechtsstaat und habe eine unabhängige Justiz, so Kreutner. Da müsse man die Frage stellen dürfen, ob der Internationale Gerichtshof überhaupt zuständig sei und in die örtliche Justiz eingreifen dürfe. Es handle sich um einen Präzedenzfall, den man sorgfältig analysieren müsse.
Ausserdem könne man davon ausgehen, dass das Urteil auch eine politische Färbung habe, sagt Kreutner. «Sonst hätte man viel früher einen Strafbefehl gegen die Hamas-Führer sprechen müssen.» Stattdessen habe man zugewartet und stelle nun die terroristischen Hamas-Führer und den Ministerpräsidenten eines demokratischen Rechtsstaates auf die gleiche Stufe. «Wir hoffen, dass die Schweiz sich dafür einsetzen wird, die Verpolitisierung der internationalen Justiz zu verhindern.»