Auch gegen Verräter im eigenen Land
So kämpft die Ukraine-Schattenarmee gegen Putins Truppen

Die ukrainische Stadt Cherson ist fest in russischer Hand. Eine Schattenarmee aus ukrainischen Partisanen will das ändern.
Publiziert: 29.07.2022 um 13:07 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2023 um 11:33 Uhr
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«Die Partisanen sehen alles» – so wird russischen Besatzern in Cherson gedroht.
Foto: Twitter / @MrMikeyM

«Cherson: Die Partisanen sehen alles.» Riesige, bedrohlich wirkende Reklametafeln ragen über der von Russland besetzten Stadt in die Höhe. Aufgestellt von der ukrainischen Schattenarmee – ein Netz aus Agenten und Informanten, die im Verborgenen gegen Russland agieren –, soll russische Besatzer nervös machen.

In Cherson selbst befinden sich kaum ukrainische Schattenkämpfer, wie der britische Sender BBC berichtet. Die meisten halten sich demnach in Mykolaiv auf – der ersten grösseren Stadt auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet und neuerdings das Hauptquartier der Partisanen an der Südfront.

Der Widerstand in den russisch besetzten Gebieten beschränkt sich aber nicht nur auf ausgewählte Partisanen. «Der Widerstand besteht nicht nur aus einer Gruppe, sondern aus uns allen», zitiert der Sender einen anonymen Schattenkämpfer, der bloss Sasha genannt wird.

Partisanen machen russische Truppen ausfindig

Die Partisanen kämpfen, um zu verhindern, dass die russische Herrschaft über Cherson dauerhaft wird: Sie wollen ein Referendum verhindern, das Moskau anscheinend plant. Russland hat bereits den Rubel und seine eigenen Mobilfunknetze in der Region eingeführt und pumpt seine Propaganda über die staatlichen Fernsehsender in die ukrainischen Haushalte.

Kurz vor diesem Krieg hat die Ukraine ihre Spezialeinheiten aufgestockt, unter anderem um eine Widerstandsbewegung aufzubauen und zu führen.

Es wurde sogar eine PDF-Broschüre veröffentlicht, in der beschrieben wird, wie man ein guter Partisan ist. Anweisungen für subversive Handlungen wie das Aufschlitzen der Reifen des Besatzers, das Hinzufügen von Zucker in den Benzintank oder die Verweigerung von Befehlen bei der Arbeit – über alles wird informiert.

«Natürlich haben sie Angst»

Sasha und sein Team haben allerdings eine ganz andere Aufgabe: die Verfolgung russischer Truppenbewegungen innerhalb Chersons. Er erklärt: «Sagen wir, wir haben gestern ein neues Ziel gesehen, dann schicken wir das ans Militär, und in ein oder zwei Tagen ist es weg.» Was mit «weg» gemeint ist, wird offengelassen. Vermutlich meint Sasha damit zerstört.

Sascha beschreibt seine «Agenten» als Ukrainer, die «die Hoffnung auf den Sieg nicht verloren haben und wollen, dass unser Land befreit wird.» Ob man keine Angst vor den Russen habe? «Natürlich haben sie Angst», sagt er zum Sender. «Aber ihrem Land zu dienen, ist wichtiger.»

An der Seite von Sasha arbeitet ein Team, das Drohnen nach Cherson fliegt, um Ziele für das Militär ausfindig zu machen. Es sind keine Soldaten, sondern Zivilisten, die sich alle freiwillig melden und über soziale Medien Spenden sammeln, um ihre teure Ausrüstung zu finanzieren.

Schattenarmee macht Jagd auf ukrainische «Kollaborateure»

Einige Einheimische haben allerdings die Seiten gewechselt, um den Russen zu helfen. Deshalb erstellt Saschas Team eine Datenbank über diese «Kollaborateure», wobei er sich auf Informationen aus dem Sicherheitsdienst stützt. «Damit niemand später behaupten kann, dass er im Widerstand war», erklärt er.

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Aber die Schattenarmee will die Verräter auch direkt einschüchtern. Die Partisanen werden ermutigt, vor den Häusern der Kollaborateure Drohplakate aufzuhängen, auf denen das Gesicht der Person und ein Sarg abgebildet sind, oder ein «Wanted»-Plakat, auf dem eine hohe Belohnung für ihren Tod ausgesetzt ist.

«Ausser den Worten Verräter und Abschaum habe ich nichts mehr für sie übrig», so Sasha zu «BBC». «Sie sind unsere Feinde.»

«Sie können das Land einnehmen, aber nicht die Menschen»

Ein Versuch, Cherson wieder zurückzuerobern, steht laut dem Sender kurz bevor. Ukrainische Angriffe haben wieder zugenommen, sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch auf die Wirkung, da vom Westen gelieferte stärkere Waffen in die Region gelangt sind und dort etwas bewirken.

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«Sie können das Land einnehmen, aber nicht die Menschen», sagt Sasha. «Die Russen werden in Cherson niemals sicher sein, weil die Menschen sie dort nicht haben wollen. Sie mögen sie nicht. Sie werden sie nicht akzeptieren.» (chs)


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