Contact Tracing ist überlastet
Kanton Aargau kommt mit den Covid-Fällen nicht mehr nach

Im Sommer waren die Corona-Zahlen tief, das Contact Tracing unterfordert. Jetzt ziehen die Fallzahlen an – und das Aargauer Tracing-Team kommt mit den Fällen nicht mehr nach. Viele Kantone rüsten ihr Contact Tracing auf.
Publiziert: 02.09.2021 um 11:16 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2021 um 13:08 Uhr
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Im Kanton Aargau besteht bei der Bearbeitung der Fälle beim Contact Tracing ein Rückstand.
Foto: Keystone
Fabio Giger

Die vierte Welle überraschte viele. Letztes Jahr noch schossen die Fallzahlen erst im Herbst in die Höhe, dieses Jahr steigen sie schon im August wieder an. Die aktuelle Häufung der Fallzahlen hat auch das Contact Tracing im Kanton Aargau überrascht.

«Derzeit besteht bei der Bearbeitung der Fälle ein Rückstand», schreibt das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) des Kantons Aargau auf Anfrage von Blick.

Sprich: Personen, die mit einer positiv getesteten Person in Kontakt waren, können vom Contact Tracing nicht umgehend informiert werden, dass sie in Quarantäne gehen müssen. Sie bewegen sich weiter nichts ahnend in der Öffentlichkeit.

«Damit haben wir nicht gerechnet»

Das ist problematisch, warnt Virologe Andreas Cerny (70): «Werden Meldungen verspätet bearbeitet, können die Infektionsketten nicht unterbrochen werden und das Contact Tracing verliert an Wert.»

Schuld an der Verzögerung seien einerseits «die sehr hohen Fallzahlen der letzten zwei Wochen», so das DGS des Kantons Aargau. Die positiven Mischprobentests an den Aargauer Schulen haben sich in den letzten Wochen verdreissigfacht. «Damit haben wir nicht gerechnet», sagt ein Behördenvertreter.

Andererseits kam es im Aargauer Contact-Tracing-Team zu Corona-Ansteckungen, weswegen Leute ausfallen, wie es vom DGS heisst.

Abgeschoben und eingestellt

Der Kanton rekrutiert deshalb wieder Personal fürs Tracing. «Derzeit werden Personen aus einem Pool mit flexibel verfügbaren Mitarbeitenden aktiviert und es wird sichergestellt, dass dieser Pool insgesamt ausgebaut werden kann», so das DGS.

Das irritiert. Der Kanton hatte wegen tiefer Corona-Zahlen im Sommer 13 Tracern per Ende August gekündigt. 59 erhielten eine Änderungskündigung und dürfen nur noch auf Abruf arbeiten. Die Anzahl Tracer sank zwischenzeitlich von 140 auf 100 bis 41.

«War vorhersehbar»

Virologe Andreas Cerny hatte schon vor einem Monat vor einem «gefährlichen» Abbau beim Tracing gewarnt. Dass die Fallzahlen nach den Sommerferien steigen werden, sei vorhersehbar gewesen. «Die Ferienregionen am Mittelmeer hatten Anfang Juli bis zu fünfmal mehr Fälle pro 100'000 Einwohner als wir», sagt Cerny.

Der Kanton Aargau verteidigt sich damit, dass der «derzeitige Rückstand der Fallbearbeitung mit der laufenden Reorganisation nichts zu tun hat». Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass das Tracing-Team des Aargauer Gesundheitsdirektors Jean-Pierre Gallati (54) in der Kritik steht.

Der «Beobachter» schreibt von einem Zickzack-Kurs bei der Personalplanung. Und auch Pannen beim Ausstellen von Codes für die Covid-App und dem Versenden von Quarantäneverfügungen sind bekannt.

Zahlreiche Kantone stocken Tracer auf

Der Kanton Aargau ist aber nicht der einzige Kanton, der in den vergangenen Wochen offenbar Mühe hatte, das Contact Tracing angemessen sicherzustellen. Blick weiss, dass im Kanton St. Gallen die Rückverfolgung nicht wie gewünscht funktioniert haben soll. Bei den St. Gallern wurden die Arbeitsabläufe mittlerweile digitalisiert. Neu werden betroffene Personen per SMS oder E-Mail kontaktiert. Das soll rascher und einfacher gehen.

In der ganzen Schweiz stocken die Kantone derzeit ihre Tracing-Teams auf, wie eine Umfrage zeigt. Unter anderen in den Kantonen Bern, Wallis, Graubünden, Solothurn, Basel-Stadt, Glarus und Zürich stellen die Behörden Tracer ein oder erhöhen die Anzahl Mitarbeitende anderweitig. Hintergrund sind die steigenden Fallzahlen – aber nicht nur!

Für die Tracer ist entscheidend, wie sehr sich Infizierte kurz vor ihrem positiven Test im öffentlichen Raum bewegt haben. War eine Person an Orten mit einem hohen Potenzial für weitere Ansteckungen – zum Beispiel bei der Arbeit, in Sporteinrichtungen oder Clubs –, ist der Arbeitsaufwand in der Rückverfolgung für die Tracer sehr hoch. Seit dem letzten Öffnungsschritt im Frühsommer sind die Leute wieder mobiler. Die Arbeit für die Tracer wird damit aufwendiger.

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