Vor den Fenstern des Konferenzraums blinken die Lichter der traditionellen Weihnachtsbeleuchtung an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zum Gespräch mit dem Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) werden Weihnachtsguetzli vom Sprüngli serviert. Das Angebot für einen (alkoholfreien) Weihnachtspunsch lehnen wir dankend ab. Urs Baumann (56) ist sichtlich stolz, dass er schon in seinem ersten Amtsjahr die gemäss Bilanzsumme drittgrösste Schweizer Bank von einem grossen Bruch mit der Tradition überzeugen kann.
Blick: Herr Baumann, die Zürcher Kantonalbank schafft auf den 1. Januar 2024 die Gebühren ab. Woher kommt diese Grosszügigkeit?
Urs Baumann: Wir haben einen Leistungsauftrag, dem wir verpflichtet sind. Seit der Zinswende gibt es eine neue Ausgangslage für alle Banken. Als Bank der Zürcherinnen und Zürcher ist es unser Anliegen, dass auch die Kleinsparer davon profitieren können. Da bieten sich neben dem Zinssatz auch die Jahresgebühren für Privatkonto und Debitkarte an, die wir jetzt abschaffen. Die sind für die meisten Sparer wichtiger.
Das müssen Sie erklären.
Mehr als die Hälfte aller Sparer hat weniger als 5000 Franken auf dem Sparkonto. Da bringt eine Einsparung von 50 oder 100 Franken bei den Gebühren mehr als 10 Basispunkte mehr Zins. Wir wollen, dass alle ohne Zusatzbedingungen vom neuen kostenlosen Alltagsbanking profitieren können. Also unabhängig davon, ob sie in die Filiale kommen oder ihre Bankgeschäfte digital abwickeln. Auch die Höhe des Vermögens spielt keine Rolle.
Wie gross ist der Spareffekt? Bis zu 116 Franken scheinen mir unrealistisch für die meisten – wer hat denn schon drei Bankkonten? Es geht eigentlich um 52 Franken?
Wir gehören jetzt schon zu den günstigsten: Das Privatkonto für 12 Franken haben Sie sonst nirgends bei einer traditionellen Bank gefunden. Der grosse Coup ist, dass wir neu neben dem Konto auch die Visa-Debitkarte ohne Jahresgebühren abgeben. Unsere Vision ist es, dass das Alltagsbanking bei uns kostenlos ist.
Wofür muss ich noch bezahlen?
Etwa für Pakete mit Kreditkarten, auch wenn diese ebenfalls deutlich günstiger werden. Oder für kompliziertere Geschäfte wie Finanzplanung, Vorsorge- und Pensionsberatung oder für Steuer- und Erbschaftsfragen. Das betrifft eher vermögende Privatkunden, die solche Beratungen in Anspruch nehmen.
Was kostet die Abschaffung der Alltagsgebühren?
Eine Zahl nennen wir nicht. Aber Sie können es ausrechnen. Wir haben rund 700’000 Privatkundinnen und -kunden. Von denen haben die meisten mindestens ein Konto und eine Debitkarte. Das ist ein substanzielles Dankeschön an unsere Kundschaft.
Wir sprechen hier von einem Dankeschön in der Höhe von mindestens 36 Millionen Franken. Wie holt die ZKB das Geld wieder rein?
Wir haben in den letzten Jahren in die Digitalisierung der Bank investiert. Dadurch arbeiten wir effizienter. Gerade die Möglichkeit der digitalen Kontoeröffnung senkt die Kosten markant. Deshalb gilt dieses Angebot nicht nur im Kanton Zürich, sondern künftig können sich Kunden in der ganzen Schweiz für das digitale Angebot der ZKB entscheiden.
Was erhofft sich die ZKB davon?
Wir wollen die Zukunft des Bankings einläuten. Die ist weder rein digital noch rein physisch, sondern hybrid. Wenn der Kunde eine vertiefte Beratung braucht, bieten wir das jederzeit in einer Filiale oder per Video oder Telefon an. Während er das Alltagsgeschäft bequem zu Hause auf dem Sofa erledigen kann. Neben dem Ausbau der digitalen Beratung investieren wir in die Modernisierung unserer 51 Filialen. Wir bieten kein Entweder-oder – sondern eine Kombination beider Welten.
Die ZKB prescht vor. Werden andere Banken nachziehen müssen?
Das wird sich zeigen. Wir sehen ZKB Banking als das momentan attraktivste Bankenangebot. Uns geht es vor allem darum, die Position als Nummer 1 im Kanton Zürich weiter auszubauen. Und natürlich freuen wir uns auch über jeden Kunden aus der Schweiz.
Nationalbankpräsident Thomas Jordan (60) hat die Bankkunden dazu aufgerufen, die Bank zu wechseln, wenn man mit den Sparzinsen nicht zufrieden ist. Gibt es zu wenig Wettbewerb auf dem Finanzplatz?
Der Wettbewerb unter den Banken ist gross. Allein im Retailgeschäft gibt es über 100 verschiedene Anbieter. Wir als Hypothekarbank können die Sparkonten dann verzinsen, wenn wir Geld mit den Hypothekarzinsen verdienen. Steigen die Zinsen schnell, nehmen wir nicht sofort mehr Geld ein, da der Zins vieler Hypotheken langfristig festgesetzt ist. Wir müssen also mit dem Durchschnittszins auf unserem Hypothekarbestand rechnen. Dieser ist träger und deshalb tiefer als der Leitzins der SNB.
Die Wahl von Urs Baumann (56) zum Chef der Zürcher Kantonalbank hat viele überrascht. Der gebürtige Lenzburger startete seine Karriere als Berater bei McKinsey, arbeite für verschiedene Finanzdienstleister und -institute in der Schweiz und im Ausland. 2015 war Baumann einer der Gründer von Blue Earth Capital, einer Investmentgesellschaft für nachhaltige Anlagen. Eines seiner Hobbys gehört allerdings nicht zu den umweltfreundlichsten: Der ZKB-Chef braust gerne mal mit der Harley Davidson über Landstrassen, kommt zum Ausgleich dafür ab und zu aus der Seegemeinde Kilchberg mit dem Stand-up-Paddle zur Arbeit.
Die Wahl von Urs Baumann (56) zum Chef der Zürcher Kantonalbank hat viele überrascht. Der gebürtige Lenzburger startete seine Karriere als Berater bei McKinsey, arbeite für verschiedene Finanzdienstleister und -institute in der Schweiz und im Ausland. 2015 war Baumann einer der Gründer von Blue Earth Capital, einer Investmentgesellschaft für nachhaltige Anlagen. Eines seiner Hobbys gehört allerdings nicht zu den umweltfreundlichsten: Der ZKB-Chef braust gerne mal mit der Harley Davidson über Landstrassen, kommt zum Ausgleich dafür ab und zu aus der Seegemeinde Kilchberg mit dem Stand-up-Paddle zur Arbeit.
Ist die Abschaffung der Gebühren eine Kampfansage an die anderen Kantonalbanken?
Nein, das ist keine Kampfansage an die anderen Kantonalbanken. Wir positionieren uns einfach mit unserem starken Digitalangebot schweizweit. Wir stehen im Wettbewerb mit allen anderen digitalen Angeboten. Diese halten sich nicht an Grenzen. Wenn überhaupt, ist das eine Kampfansage an die Digitalbanken.
Wie viele Neukunden erhofft sich die ZKB dadurch?
Wir sind von unserem Produkt überzeugt und hoffen darauf, dass wir neue Kunden aus der ganzen Schweiz gewinnen werden.
Themenwechsel: Die Credit Suisse ist seit März 2023 Geschichte. Haben Sie mit dem Untergang der CS gerechnet?
Hätten Sie mir diese Frage vor dem Herbst 2022 gestellt, hätte ich sie klar mit Nein beantwortet. Das Ende der CS ist tragisch. Zwei Grossbanken wären wichtig für den Finanzplatz und die Volkswirtschaft. Andererseits war klar: Es brauchte für die CS eine Lösung, die Finanzmärkte waren sehr nervös. Im März war eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Schweizer Banken allgemein zu spüren.
Wie viele Neukunden haben Sie dank des Untergangs der CS gewonnen?
Wir haben viele Privatkunden dazugewonnen. Allerdings machen die nicht die grosse Summe beim Neugeld aus. Beim Neugeld haben wir die generelle Verunsicherung gespürt, aber kaum einen CS-Effekt. Wir hatten bereits im ersten Semester 2022 ohne CS mit 17,8 Milliarden Franken einen rekordhohen Zufluss an Neugeldern. In diesem Jahr mit CS sind uns im ersten Semester 19,3 Milliarden zugeflossen. Der Unterschied beläuft sich auf rund 1,5 Milliarden.
Wann sinken die Zinsen wieder?
Der Zinszyklus ist abgeschlossen. Im Frühling rechnen wir mit den ersten Zinssenkungen in den USA und in Europa. In der Schweiz wird das noch etwas länger dauern, weil die Teuerung anfangs Jahr nochmals leicht ansteigen wird.