Die Märkte haben Zinssenkungen längst eingepreist, nur die Notenbanker trauen sich noch nicht, an der Zinsschraube zu drehen. Fed, Europäische Zentralbank, Schweizerische Nationalbank (SNB): Alle haben sie darauf verzichtet, die Zinsen zu senken, obwohl die Inflation überall auf dem Rückzug ist. Nur: Auf dem Rückzug heisst eben nicht, dass die Preise nicht weiter steigen – sie steigen nur nicht mehr so dramatisch wie noch bis in den letzten Winter.
Zur Freude auch der Notenbanker: Die Nationalbank hat ihre Inflationsprognose für die kommenden Jahre nach unten korrigiert, vor allem auch weil die Mieten gesamthaft nicht so stark gestiegen sind wie befürchtet. Die Teuerung ist wieder dort, wo sie die SNB haben will. Im Bereich von unter zwei Prozent, den die SNB mit Preisstabilität gleich setzt.
Kein Handlungsbedarf
Damit ist klar: Der Zinszyklus hat seinen Höhepunkt erreicht, auf absehbare Zeit wird der Leitzins nicht über die aktuellen 1,75 Prozent steigen. Allerdings auch nicht fallen: «Eine Zinssenkung steht im Moment nicht zur Diskussion», macht Nationalbankpräsident Thomas Jordan (60) an der Medienkonferenz klar. Das ist die aktuelle geldpolitische Lagebeurteilung, die am Donnerstag in Bern stattgefunden hat.
Die SNB sieht bei den Zinsen keinen Handlungsbedarf. Auch wenn Zinssenkungen noch in weiter Ferne sind, ist das trotzdem eine gute Nachricht für Mieter und Hausbesitzer. Denn jetzt ist es so gut wie sicher, dass der Referenzzinssatz für Wohnen nicht mehr weiter steigen wird. Auch wenn sie für viele schmerzhaft waren, weitere Mieterhöhungen stehen nicht im Raum. Denn auch die Hausbesitzer können sich freuen: Wer bei Gelegenheit eine Festhypothek zu erneuern hat, der muss nicht mehr ganz so tief in die Tasche greifen, wie noch vor einem halben Jahr, als viele noch an weiter steigende Zinsen glaubten. Das wiederum wirkt sich auch dämpfend auf den Referenzzinssatz aus.
Schwächelnde Wirtschaft
Selbst für Sparer gibt es ein kleines Zückerchen: Weniger Teuerung heisst auch weniger Geldentwertung auf den Ersparnissen auf dem Konto. Und weil die Banken die Zinserhöhungen nur zögerlich an die Kunden weitergegeben haben, ist die Zinswende für Sparer noch nicht ganz abgeschlossen, könnten die Sparzinsen noch etwas steigen. Auch Anleger dürfen sich freuen, wenn sie in Aktien investiert sind. Denn diese glänzen wieder etwas mehr, wenn die Zinsen nicht weiter steigen.
Bleibt die Sorge um die Wirtschaft. Hier läuft es im nächsten Jahr nicht ganz so rund, vor allem die Industrie leidet unter der zunehmenden Nachfrageschwäche in wichtigen Absatzmärkten: «Wir rechnen für das kommende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 1,0 Prozent», sagt SNB-Direktoriumsmitglied Martin Schlegel (47) im Gespräch mit Blick. Allerdings seien die Unsicherheiten gross. Es könnte gar das eine oder andere Quartal mit einer schrumpfenden Wirtschaft drohen. «Das entspricht nicht unserer Prognose, allerdings ausschliessen können wir das auch nicht», so Schlegel.
Was allerdings eine gar nicht so schlechte Nachricht für Mieter und Hausbesitzer wäre. Denn sollte die Wirtschaft tatsächlich weniger wachsen als prognostiziert, könnte die Nationalbank früher an der Zinsschraube drehen, als ihr lieb ist – und die Zinsen senken.