Bei Temperaturen weit über 30 Grad scheint ein Strom- und Gasmangel derzeit weit weg. Doch hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für eine allfällige Strommangellage im kommenden Winter. Sollte Russlands Präsident Wladimir Putin (69) Europa den Gashahn zudrehen, wird in der Schweiz über kurz oder lang auch der Strom knapp, da wir massenhaft Strom aus europäischen Gaskraftwerken importieren.
Putin erwägt diesen Schritt derzeit, wie der «Sonntagsblick» unter Berufung auf den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) berichtet. Die Auswirkungen wären einschneidend: «Schweizer Firmen könnten in Existenznöte geraten», schreibt der NDB.
Kühlregale als Stromfresser
Wer im Notfall verzichten muss, darüber gibt es ein regelrechtes Tauziehen. Nun sickern erstmals konkrete Pläne durch: Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, müsste die Detailhändlerin Migros im Fall einer Strommangellage jede fünfte Filiale schliessen. Schliesslich sind die Kühlregale, Rolltreppen und Lifte in den Filialen Stromfresser. Betroffen wären gemäss der Zeitung 130 Läden. Neben der Migros müssten wohl auch Coop und andere Grossverteiler im Ernstfall mit weniger Strom auskommen.
Das zuständige Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) macht auf Anfrage von Blick keine näheren Angaben. Die Vorbereitungen für einen Notfallplan laufen. Die Bevölkerung soll voraussichtlich Ende August über die Pläne informiert werden.
Schon heute ist klar, dass der Bund einen vierstufigen Eskalationsplan vorsieht: Zuerst gibt es Sparappelle. Der Bundesrat fordert die Bevölkerung etwa auf, die Treppe statt den Lift zu benutzen oder elektronische Geräte auszustecken, wenn diese nicht in Gebrauch sind.
Abschaltung von Skiliften
Auf Stufe zwei folgen Verbrauchseinschränkungen. Auf dieser Stufe könnten etwa Strassenlampen ausgeschaltet werden. Auch die Abschaltung von Skiliften steht zur Diskussion. Erst auf Stufe 3 folgen Kontingentierungen – in diesem Fall müsste die Migros etwa auf Geheiss des Bundesrats Filialen schliessen, um mit weniger Strom auszukommen.
Erst auf allerletzter Stufe gäbe es Netzabschaltungen, die auch direkt Privathaushalte treffen würde. Dieses Szenario will der Bund verhindern, hätte es doch einschneidende Auswirkungen: In den betroffenen Gebieten würde nicht nur der Fernseher schwarz bleiben. Auch die Telefon- und Internetleitungen wären tot. Notrufe könnten nicht mehr abgesetzt werden. Alarmanlagen wären ausser Betrieb, das Risiko von Einbrüchen oder Raubüberfällen würde sprunghaft ansteigen.
Eine tatsächliche Strommangellage würde aber bereits vor Kontingentierung oder Netzabschaltungen diverse Firmen ganz direkt treffen: Weil die Preise für Strom und Gas steigen, könnten es sich einige nicht mehr leisten, ihre Maschinen zu betreiben – selbst wenn sie noch dürften.
Der Hitzesommer und die Stauseen
Damit es nicht erst so weit kommt, will Europa so schnell wie möglich von russischem Gas wegkommen. Die Schweiz zum Beispiel setzt dafür auf Wasserkraft. SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher (52) forderte erst vor wenigen Tagen im Blick, dass der Bund anordnet, die Stauseen zu füllen, um ein Blackout im Winter zu verhindern.
Allerdings macht ihr der heisse und trockene Sommer einen Strich durch die Rechnung: Momentan sind die Schweizer Stauseen zwar noch gut gefüllt. Aber es regnet weniger als in anderen Jahren. Die Schneefelder sind bereits im Frühling geschmolzen und in die Stauseen abgeflossen. So rückt ein Gas- und Strommangel doch plötzlich in greifbare Nähe – selbst bei weit über 30 Grad. (sfa)