Die Hiobsbotschaften für Boeing wollen nicht enden. Erst letzte Woche entschied das US-Justizministerium, dass der Flugzeughersteller wegen zwei Abstürzen von 737-Max-Maschinen mit 346 Toten strafrechtlich verfolgt werden kann. Die Unfälle vor rund fünf Jahren bedeuteten damals die Wende im jahrzehntelangen Duell mit Airbus.
Die beiden grössten Luftfahrtkonzerne kämpfen um Kunden, Märkte und Technologien. Mal hatten die Amerikaner von Boeing die Nase vorn, mal die Europäer von Airbus. Doch seit den Abstürzen zieht Airbus davon. Die früher weitaus profitableren Amerikaner schrieben zuletzt vier Jahre in Folge Milliardenverluste. Für die Europäer hingegen gab es einzig im Pandemiejahr 2020 einen Verlust.
Airbus setzte Boeing unter Druck
Inzwischen liegt Airbus mit einem Börsenwert von umgerechnet 126 Milliarden Franken vor Boeing mit 105 Milliarden Franken. Das ist eine direkte Folge der Probleme mit der 737 Max.
Solche Kurz- und Mittelstreckenflieger sind bei weitem die meistverkauften Passagierjets und Airbus hat mit der A320neo-Familie seit 2016 moderne Modelle im Angebot. Boeing war damit unter Zugzwang, ebenfalls schnell ein eigenes neues Schmalrumpfflugzeug auf den Markt zu werfen.
Vom Kassenschlager zum Ladenhüter
Tatsächlich war die 737 Max zunächst ein Erfolg. Bis zu den Abstürzen und dem anschliessenden Grounding gingen 5000 Bestellungen für den Jet ein. Doch nach dem zweiten Unfall innert wenigen Monaten wurde der Flugzeugtyp für eineinhalb Jahre gegroundet.
Unter dem Druck des europäischen Rivalen waren bei der Entwicklung des Modells wichtige Sicherheitsaspekte vernachlässigt worden. Das Flugzeug wurde vom Kassenschlager des Jahres 2018 zum Ladenhüter.
Die Auslieferungen bei Boeing brachen ein. 2019 konnten die Amerikaner im Vergleich zu Airbus weniger als die Hälfte an Fliegern übergeben. Diesen Rückstand haben sie bis heute nicht mehr aufgeholt.
Tür aus dem Rumpf gerissen
Ein weiteres Mal wurden die Sicherheitsprobleme bei Boeing in diesem Jahr offengelegt. Im Januar sorgte ein Zwischenfall bei einem Flug für weltweite Aufmerksamkeit, als kurz nach dem Start eine Tür aus dem Rumpf einer Boeing 737 Max gerissen wurde.
In der Folge kamen neue Mängel bei diesem Flugzeugtyp ans Licht, bei zahlreichen Jets fehlten wichtige Bolzen. Dazu kamen generelle Zweifel an der Qualitätskontrolle beim Flugzeugbauer auf. Whistleblower verwiesen auf weitere Probleme, so sollen Teile der Boeing 787 nicht ordnungsgemäss miteinander verbunden sein.
Tausende neue Flugzeuge benötigt
Obwohl die Luftfahrt so sicher ist, wie nie zuvor: Viele Reisende dürften heute mit einem unguten Gefühl in die neueren Boeing-Maschinen einsteigen. Und das wird sich weiterhin auf die Verkäufe an die Fluggesellschaften auswirken.
Vor allem in Asien wird der Bedarf an neuen Passagierflugzeugen in den nächsten Jahren riesig sein. Ob Boeing davon profitieren kann, hängt davon ab, ob die Firma künftig Qualität vor mögliche kurzfristige Gewinne stellt.