Auf einen Blick
Wie lange benötigen Sie in der Früh im Bad?
Eine halbe Stunde.
Welche Produkte stehen da?
Viele, zum Beispiel das Weleda-Serum «Blauer Enzian und Edelweiss».
Logisch. Das müssen Sie sagen …
Ich bin da ganz ehrlich. Ich habe vor meinem Start bei Weleda nicht nur Weleda-Produkte benutzt. Ich musste mich ja zuerst einmal selbst davon überzeugen, wie gut sie wirken. Ich gebe zu, die Ablageflächen in meinen Badezimmern in Arlesheim und in Düsseldorf sind gross. Als ich bei Douglas aufhörte, habe ich die Produkte nicht einfach weggeworfen. Jetzt sind viele Weleda-Produkte dazugekommen und andere immer weniger geworden. Was ich auch noch regelmässig benutze, ist Bryophyllum.
Das ist ein anthroposophisches Medikament, richtig?
Genau. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Bevor ich zu Weleda kam, bin ich ständig zwischen 1 und 2 Uhr nachts aufgewacht. Ein typisches Menopausen-Phänomen. Irgendwann habe ich darüber mit unserer Pharmachefin gesprochen. Sie empfahl mir, Bryophyllum auszuprobieren. Seither schlafe ich durch.
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Sie drängen mit Weleda in einen Bereich vor, in dem man einen anthroposophisch inspirierten Naturkosmetik-Hersteller nicht erwarten würde, den Anti-Aging Markt. Kommt das bei der Kundschaft an?
Wir haben mit unserer neuen Produktelinie für Verjüngung grossen Erfolg. Dafür haben wir blauen Enzian, Edelweiss und Centella asiatica miteinander verbunden. Die Kombination der drei Pflanzen erhöht das Kollagen in der Haut um 60 Prozent. Dieses Produkt ist ein echter Durchbruch in der Anti-Aging-Kosmetik. Die Formel dafür haben wir zum Patent angemeldet.
Sie gehen also mehr in Richtung Mainstream?
Im gesamten Kosmetikmarkt wächst das Segment Gesichtspflege am stärksten und innerhalb der Gesichtspflege der Bereich Anti-Aging besonders dynamisch. Da liegt für uns ein Riesenpotenzial, zumal Naturkosmetik mindestens die gleiche Wirksamkeit hat wie die konventionelle Kosmetik, in der viel mit Chemie gearbeitet wird.
Es gibt immer mehr Firmen, die das Label Natur auf ihre Fahnen schreiben. Wie will sich Weleda davon abgrenzen?
Weleda hat schon seit der Unternehmensgründung vor hundert Jahren Produkte aus der Natur hergestellt. Bei unserer neuen Kampagne Blauer Enzian und Edelweiss verwenden wir jetzt zudem den Begriff «Swiss Natural Science». Wir wollen mit dem Claim und der Kampagne besonders auf unsere Herkunft und speziell auch auf das Anbaugebiet der Heilpflanzen eingehen. Wir haben den Claim in der Schweiz und auch in Deutschland getestet. Mit dem Thema Swiss Natural Science verbinden Deutsche ein sehr hohes Qualitätsniveau sowie Naturverbundenheit. Auch international steht die Schweiz für eine besonders hohe Qualität und Naturverbundenheit. Das Produkt Blauer Enzian und Edelweiss haben wir vor ein paar Wochen in Deutschland und der Schweiz eingeführt, und es geht gerade durch die Decke. Und ich bin mir sicher, dieser Erfolg hat auch mit der Positionierung zu tun.
Wollen Sie mehr neue Produkte lancieren?
Auf jeden Fall! Unsere Innovations-Pipeline ist gut gefüllt. Im Kosmetikgeschäft lancieren wir allein im kommenden Jahr über zwanzig neue Produkte. Damit gehen wir auch mehr Richtung Premium und den Vertriebskanal Parfümerie. Weleda finden sie heute in der Schweiz hauptsächlich in der Apotheke oder in Deutschland im Drogeriemarkt, also bei DM, Rossmann oder Müller, aber noch wenig in der Parfümerie. Bei Douglas in Deutschland ist Weleda nur vereinzelt stationär vertreten, in der Schweiz oder in Österreich nur online. Das wollen wir ändern und planen dafür eine Produkteinführung im Herbst nächsten Jahres.
Der Zenit für «grün» scheint überschritten zu sein. Grüne Themen sind längst nicht mehr Tagesthema, die Grünen sind politisch auf dem Rückmarsch. Wie sehr trifft Weleda dieser Abwärtstrend?
Das spüren wir so nicht. Wenn Kundinnen Kosmetik kaufen, stellen Sie sich zwei Fragen. Was bringt das Produkt für meine Haut und wie nachhaltig ist es? Das Bewusstsein für Inhaltsstoffe, sowohl bei Lebensmitteln als auch bei Kosmetik, ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen. Kennen Sie Codecheck?
Ja. Warum?
Frauen benutzen heute Tools wie Codecheck, um beispielsweise die Inhaltsstoffe in Cremes zu überprüfen. Sie wollen wissen, was Gutes oder Schlechtes in ihrer Tagescreme steckt – und die Natur hat nun einmal viel bessere Rezepturen als jeder Chemiebaukasten. Wenn Sie Weleda bei Codecheck überprüfen, bekommen Sie beim Thema Inhaltsstoffe grüne Haken.
Sie haben angekündigt, den Umsatz bis 2030 zu verdoppeln. Bis vor kurzem schrieb das Unternehmen noch einen Millionenverlust. Wie wollen Sie das schaffen?
Mit unserer neuen Strategie «Wachstum mit Verantwortung» konzentrieren wir uns auf vier Wachstumshebel: Innovation, Premiumisierung, Digitalisierung und Internationalisierung. Wir modernisieren das gesamte Unternehmen, auch die Markenkommunikation, und zwar so, dass wir die jüngeren Zielgruppen zwischen zwanzig und vierzig Jahren erreichen. Vor allem über Social-Media-Kanäle. Das war für Weleda bislang ein wenig beackertes Feld. Wenn ich heute mit den jüngeren Zielgruppen kommunizieren will, muss ich das über Social Media tun.
Sind die sozialen Medien im Kosmetikbereich derart matchentscheidend?
Ein Beispiel, das die Wichtigkeit der sozialen Medien aufzeigt. Wir sind aktuell mit einer Kampagne auf TikTok zu unserem Rosmarin-Haartonikum supererfolgreich. Sie wurde sogar für einen TikTok-Award nominiert. Für solche Themen haben wir ein eigenes Digital-Marketing-Team aufgebaut mit einem eigenen Studio, das Content kreiert, der Instagram und TikTok gerecht wird. Das sind heute die Kanäle, auf denen die Musik spielt.
Mir fiel ein Bild an der letzten Fussball-Europameisterschaft auf, das viral ging. Der Kapitän der französischen Nationalmannschaft, Kylian Mbappé (25), wurde behandelt mit Arnika-Massageöl von Weleda.
Das ist noch einmal etwas anderes, das wurde nicht von uns initiiert. Wir haben es aber gesehen und schnell vermarktet. Sehr erfolgreich übrigens.
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Da war nichts geplant oder bezahlt?
Das war ein Geschenk. So etwas gibt es manchmal, und dann muss man bereit sein. Es gibt heute drei Arten von Content. Jenen, den man selbst produziert und sendet. Dann gibt es User-generated oder Influencer-generated Content, wie man das heute nennt. Und eben das, was zufällig passiert, was andere Medien einfangen und dann auf Social Media verstärken.
Passieren solche Coups öfter?
Bei unserem Rosmarin-Haarwasser haben wir etwas Ähnliches erlebt. Da haben sehr prominente Influencer von sich aus auf TikTok angefangen, unser Haarwasser zu empfehlen. Dadurch waren wir in Kürze ausverkauft. Allerdings gab es einen Nebeneffekt.
Welchen?
Wir hatten keinen Rosmarin und Mauerpfeffer mehr, um nachzuproduzieren. Also mussten wir die Kunden vertrösten und bis zur nächsten Ernte warten. Um im Folgejahr zu zeigen, dass es das Haarwasser wieder gibt, haben wir eine witzige TikTok-Kampagne gestartet. Wir liessen das Haarwasser eine Pressekonferenz geben, nach dem Motto: Hier bin ich wieder.
Was bezahlt Weleda dafür, so viele Influencer zu engagieren?
Das ist ja das Besondere: Die Influencer machen das, ganz ohne unser Zutun. Selbst Hailey Bieber (27) und Victoria Beckham (50) haben unsere Hautcreme Skin Food promotet. Sie machen das aus voller Überzeugung und nicht, weil sie dafür bezahlt werden. Diese Influencerinnen könnten wir uns gar nicht leisten.
Sie kommen aus der Welt des klassischen TV- und Print-Marketings. Ist das nicht eine völlig andere Welt als das Social-Media-Business? Müssen Sie jetzt Nachhilfestunden für Social Media nehmen?
Absolut. Es ist ein völlig anderes Geschäft. Und ja, ich muss viel lernen. Ständig. Ich bin ja auch kein Digital Native. Mit meinen 56 Jahren bin ich nicht mit TikTok gross geworden. Ich habe zwar eine grosse Community auf LinkedIn. Aber LinkedIn ist natürlich etwas anderes als TikTok und Instagram. Deswegen lerne ich bewusst jeden Tag dazu.
Also auch eine CEO hat nie ausgelernt …
Man hat nie ausgelernt und sollte sich immer weiterbilden. Im Moment lerne ich alles über das Thema künstliche Intelligenz. Wir haben ein eigenes Weleda-Chat-GPT kreiert. All unser Wissen über Pflanzen und unsere Herstellungsmethoden ist da reingeflossen, all unsere Studien und das ganze Archivmaterial bis zum Jahr 1932. Unsere Teams können diesem Chat GPT Fragen stellen und beispielsweise für die interne Kommunikation blitzschnell einen Text entwerfen lassen.
Weleda liefert Produkte in fast fünfzig Länder. Wie sieht es mit neuen Märkten aus?
Asien bietet enormes Potenzial für uns. Wir sind dort schon aktiv, aber noch relativ klein. Für kommendes Jahr planen wir den Markteintritt in Indien. Indien ist ein boomendes Land und eng mit Naturkosmetik verbunden, man denke nur an Ayurveda.
Weleda hat 90 Millionen in den Bau eines Logistikzentrums in Deutschland investiert. Sie selbst sind Deutsche. Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass der Hauptsitz von Weleda nach Deutschland verlegt werden könnte …
Nein, das ist nicht geplant. Die Geschäftsleitung von Weleda sitzt im Baselbieter Arlesheim, ebenso wie die Verantwortlichen für alle globalen Funktionen. Unser Unternehmen wird von Arlesheim aus gesteuert. Zugleich macht es sehr viel Sinn, ein zentrales Logistikzentrum in Schwäbisch Gmünd anzusiedeln, um von dort aus die Welt zu bedienen. Schwäbisch Gmünd ist nach Mitarbeiterzahlen unser grösster Standort, und Logistik war dort schon immer ein Schwerpunkt.
Werden Sie in der Schweiz ähnlich viel investieren?
Wir müssen zuerst diese Investition verkraften. In der Schweiz investieren wir vor allem in Forschung und Entwicklung für Kosmetik. Kosmetik macht 80 Prozent unseres Geschäfts aus.
Können Sie eine konkrete Zahl nennen, wie viel Geld Sie dafür in die Hand nehmen werden?
Da nennen wir in aller Regel keine präzisen Zahlen. Die Baukosten für das neue Logistikzentrum sind eine grosse Ausnahme, weil es so ein besonderes Projekt ist, nämlich das nachhaltigste Logistikzentrum Europas.
Die Ebit-Marge mit 3,2 Prozent ist erschreckend tief. Wollen Sie diese auch verbessern?
Die kriegen wir auch auf ein ordentliches Niveau und wir haben sie schon deutlich verbessert. Aber, und das ist ganz wichtig: Es geht eben bei Weleda nicht in erster Linie darum, möglichst viel Profit zu generieren. Sonst hätte man auch sagen müssen, wir bauen ein konventionelles Logistikzentrum.
Die Weleda-Aktionäre pochen nicht auf einen hohen Gewinn?
Ich komme aus Unternehmen, in denen es hiess, je mehr Ebit, desto besser. Als ich in Grosskonzernen arbeitete, ging es immer darum, ob man ein Produkt nicht einfach 20 Prozent billiger produzieren könnte. Was macht man dann? Man fängt an, den Duft zu reduzieren, die Inhaltsstoffe, bis am Ende quasi nur noch Wasser in der Rezeptur ist.
Lieber mehr Heilpflanzen im Produkt als die Ebit-Marge zu erhöhen?
Alles andere wäre bei Weleda nicht möglich, es würde unserem Purpose widersprechen. Wenn hier eine CEO anfangen würde, 50 Prozent weniger an Pflanzen in ein Heilmittel zu geben, dann könnte sie ihren Hut nehmen. Das ist einmalig. Das gibt es in unserer Branche höchstens noch bei zwei anderen, kleineren Unternehmen.
Wer macht das noch?
Dr. Hauschka.
Weleda steht mehrheitlich im Besitz der Anthroposophischen Gesellschaft. Ist das hinderlich beim Verkauf moderner Pflegeprodukte?
Ich finde, das stört überhaupt nicht und es ist vor allen Dingen für unsere Arzneimittel wichtig. Die anthroposophische Medizin ist aus meiner Sicht eine extrem moderne Medizin, da sie eine ganzheitliche Medizin ist. Ich bin eine absolute Verfechterin dieser Medizin.
Hand aufs Herz: Sie kriegen diesbezüglich keine Kritik zu hören?
Wenn ich Beiträge auf LinkedIn verfasse, die zum Teil eine Million Views generieren, erhalte ich ganz viel Zustimmung und nur wenig Kritik an der Anthroposophie.
Weleda-Verwaltungsratspräsident Thomas Jorberg (67) war in der Waldorfschule, ist anthroposophisch sozialisiert. Sie nicht. Macht Ihnen der fehlende Background das Leben intern schwerer?
Das hat auch Vorteile. Ich kann ein neues Feld öffnen, weil ich eben nicht aus der Anthroposophie komme und nicht auf der Waldorfschule war. Wenn ich jetzt hingehe und mich ganz unvoreingenommen damit beschäftige und identifizieren kann, dann kann das für viele eine Brücke bedeuten, sich auch mal intensiver mit dieser Lehre zu befassen.
Wann haben Sie zum ersten Mal von Rudolf Steiner gehört, dem Gründer von Weleda und dem Begründer der Waldorfpädagogik?
Als man auf mich zukam, habe ich mich natürlich gründlich über das Unternehmen informiert und dann landet man automatisch auch bei Rudolf Steiner.
Karrieretechnisch gesehen bedeutet ihr neuer Job ein Abstieg. Weleda hat viel weniger Mitarbeiter und macht viel weniger Umsatz als Douglas. Wie gehen Sie damit um?
Das ist eine sehr altmodische Sicht der Dinge. Es geht doch heute längst nicht mehr nur um Grösse, Umsatz, Geld. Wenn es mir ums Geld gegangen wäre, hätte ich etwas anderes gemacht. Ich habe während meiner Karriere genug Geld verdient. Das sagen Frauen eigentlich nicht so offen. Aber Geld war nicht der Massstab für meinen nächsten Karriereschritt.
Sondern?
Wenn man heute in einem grossen Konzern arbeitet, hat man meistens eine Vertriebsverantwortung, alles andere wird über andere Konzernfunktionen abgedeckt. Bei Weleda bin ich für die gesamte Wertschöpfungskette verantwortlich und kann vom Anbau der Heilpflanzen über die Logistik bis hin zum Kunden alles managen – und das im Einklang mit Mensch und Natur. Ich habe eine vollumfängliche CEO-Funktion mit den zwei Bereichen Kosmetik und Pharma, das ist eine tolle Aufgabe und komplexer als alles, was ich vorher gemacht habe. Bei Weleda kann ich etwas bewirken, anstatt wie in einem Grosskonzern die Zitrone noch mehr auszupressen.
Wie oft sind Sie vor Ort in Arlesheim?
In aller Regel von Montag bis Donnerstag. Dann besuche ich auch regelmässig die Länder, in denen wir vor Ort sind. Ich war kürzlich in den USA und bei unseren Niederlassungen in Europa. Jetzt kommt noch die grosse Asientour mit Südkorea und Indien.
Fühlen Sie sich mittlerweile ein wenig als Schweizerin?
Immerhin habe ich die Aufenthaltsgenehmigung B …
Ist der Schweizer Pass ein Thema für Sie?
Der ist, glaube ich, nicht so ganz einfach zu bekommen. Dafür muss man viele Jahre in der Schweiz gelebt haben.