Weil Kunden zu viel klauen
Schweizer Detailhändler machen bei Selfservice-Shops einen Rückzieher

Bequem, digital, effizient – kassenlose Shops ohne Personal gelten als die Zukunft des Einkaufens. Doch hierzulande häufen sich Pleiten, Rückzieher und Diebstähle. Warum scheitern so viele Selfservice-Filialen? Und welche Detailhändler halten trotzdem am Konzept fest?
Publiziert: 11:55 Uhr
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Aktualisiert: 12:26 Uhr
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Hightech-Einkauf ohne Kasse – in Selfservice-Shops, wie hier im Teo der Migros, gibt es kein Personal.
Foto: Samuel Walder

Auf einen Blick

  • Selbstbedienungsläden ohne Personal: Konzept mit Herausforderungen bei Schweizer Detailhändlern
  • Diebstähle und Vandalismus führen zur Schliessung vieler unbedienter Geschäfte
  • Migros plant trotz Problemen vier neue Teo-Shops für dieses Jahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nathalie BennRedaktorin Wirtschaft

Du betrittst ein Lebensmittelgeschäft, in dem es kein Personal gibt. Für den Einlass scannst du eine App. Mittels KI wird registriert, was du alles aus dem Regal nimmst. Verlässt du den Laden, wird die Summe bequem von deiner Kreditkarte abgebucht.

Was wie ein Einkaufsformat aus der Zukunft tönt, ist bei hiesigen Detailhändlern längst Realität. Viele Schwergewichte erkunden das Konzept mit den Selbstbedienungsläden. Doch die Umsetzung macht Probleme, wie ein aktueller Fall aus der Zürcher Gemeinde Seuzach zeigt: Eine Frau stibitzte aus dem unbedienten Migros-Shop Lebensmittel im Gesamtwert von fast 300 Franken – viermal verliess sie den Shop, ohne zu bezahlen. Das kommt die Wiederholungstäterin gemäss dem «Landboten» teuer zu stehen. Sie erhält eine unbedingte Geldstrafe von 7700 und eine Busse von 500 Franken. Zusammen mit den übrigen Gebühren muss die Frau 9150 Franken bezahlen.

Sie ist nicht die Einzige, die das eine oder andere in Selfservice-Shops mitgehen lässt. Doch wie schreitet das mögliche Ladenformat der Zukunft bei anderen Schweizer Detailhändlern voran?

Spar

Vor zwei Jahren eröffnete der erste Go24-Laden der Detailhandelskette Spar am Zürcher Sihlquai. Er hielt sich aber nicht lange: Im April 2024, nur 14 Monate später, bestätigte die Medienstelle des Schweizer Ablegers, dass aus dem unbedienten 24-Stunden-Tankstellenshop wieder ein konventioneller Laden wird. Einen Nachfolger gibt es nicht.

Auch die drei Automaten-Läden in den Bündner Ortschaften Surava und Rueras sowie in St. Gallen schlossen im Februar 2024 ihre Türen für immer. Dort gab es ebenfalls zu viele Langfinger. Auf Anfrage gab die Pressestelle bekannt, dass die hohen Diebstahlraten und Vandalismus das Ende der Selbstbedienungsläden besiegelten.

Valora

Ein ähnliches Schicksal erlitt die Kioskbetreiberin Valora mit ihren Avec-Boxen. Im Juli 2023 wurden die acht bestehenden Selfservice-Läden nach nur wenigen Monaten bereits wieder eingestampft. Einbrüche und Sachbeschädigungen spielten beim Entscheid zur Schliessung keine Rolle, hiess es damals. Grund sei vielmehr die zu geringe Nachfrage.

Valora startete daraufhin einen Versuch mit tagsüber bedienten Shops, bei denen es in der Nacht kein Personal und auch keinen Alkohol gibt. Doch auch diese Filialen – die es unter anderem am Zürcher Hauptbahnhof und am Schaffhauserplatz gab – wurden 2023 wegen «sicherheitsrelevanter Vorkommnisse» wieder geschlossen.

Aldi

Der Discounter Aldi versucht sich ebenfalls an autonomen Filialen ohne Personal. Sogenannte Shop&Go-Filialen gibt es seit 2022 in Greenwich in Grossbritannien und in Utrecht in den Niederlanden. Doch auch Aldi muss bei kassenlosen Filialen resignieren. Im Januar 2025 kommunizierte der Konzern, dass die Filiale in Utrecht geschlossen wird. Wann genau, ist noch nicht bekannt.

In der Schweiz sind bisher keine Shop&Go-Filialen geplant, wie die Medienstelle Aldi Schweiz auf Anfrage bekannt gibt.

Lidl

Bei Lidl gibts bisher keine Selbstbedienungsfilialen. Das Konzept sei auch nicht geplant, wie ein Sprecher gegenüber Blick bestätigt.

Migros

Die Migros-Genossenschaft Ostschweiz führte im Oktober 2022 den ersten Migros-Teo-Shop in Bürglen TG ein. Mittlerweile gibt es sieben Teo-Shops – fünf in der Ostschweiz und zwei im Raum Zürich in Kloten und Seuzach. Wo andere zurückkrebsen, ist der orange Riese auf Expansionskurs: «Wir planen weitere Migros-Teo-Standorte in der Region Ostschweiz», sagt ein Sprecher zu Blick. Dieses Jahr seien vier Neueröffnungen geplant, etwa in Münsterlingen TG.

Trotz gelegentlicher Diebstähle – wie zuletzt in Seuzach – bleibt die Migros optimistisch. «Mit unseren derzeitigen Sicherheitsvorkehrungen kann die Diebstahlrate auf einem sehr niedrigen Niveau gehalten werden», so der Sprecher.

Coop

Auch der Detailriese Coop plant, sein To-Go-Konzept weiter auszubauen und kleine Shops ohne Personal einzuführen. «Wir wollen unbediente ‹Coop to go›-Filialen im sogenannten Semi-public-Bereich etablieren, also an halböffentlichen Standorten», gab Roland Frefel im Februar 2024 gegenüber CH Media bekannt. Halböffentlich meint allerdings nur Standorte wie Universitäten, Fachhochschulen oder Spitäler. Zurzeit sind noch keine To-Go-Shops ohne Personal in Betrieb.

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