Die Industrie gehört zu den Jobmotoren der Schweiz: Die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) beschäftigt mehr als 300'000 Menschen und ist für 7 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) verantwortlich. Zum Vergleich: Bei den Schweizer Banken arbeiten gut 100'000 Beschäftigte.
Der Fachkräftemangel bedroht den industriellen Wirtschaftsmotor der Schweiz aber erheblich: Bis 2031 muss die MEM-Industrie 83'000 neue Arbeitskräfte rekrutieren. Das zeigt eine Erhebung von BAK Economics im Auftrag von Angestellte Schweiz, die Blick vorliegt.
Jobs in Gefahr
Der Neurekrutierungsbedarf entspricht 29 Prozent der bestehenden Arbeitskräftebasis in den Industrieunternehmen. Grund für die vielen neu zu besetzenden Jobs ist die anstehende Pensionierungswelle, viele Industriebetriebe sind überaltert.
Hinzu kommen Produktionsausweitungen. Die hoch spezialisierten Schweizer Industrie-Unternehmen exportieren immer mehr Produkte in die ganze Welt, in vielen Bereichen sind sie Weltmarktführer und Monopolisten. Doch weiterwachsen kann nur, wer das nötige Personal hat. Und daran hapert es je länger, desto mehr. «Das schwächt den Werkplatz Schweiz», warnt Stefan Studer (62), Geschäftsführer von Angestellte Schweiz. «Investitionen und Arbeitsplätze werden abwandern, unser Land hat das Nachsehen.»
Vom Bürotisch an die Werkbank
Am meisten neue Arbeitskräfte braucht es bei den Polymechanikern, Metallarbeiterinnen und ähnlichen Berufen. Auch Ingenieurinnen, IT-Spezialisten, Mathematikerinnen und Naturwissenschaftler sind bei den Industriebetrieben heiss begehrt.
In relativen Zahlen ist der Mangel bei den ICT-Spezialisten am happigsten: 100 offenen Stellen stehen dort 16 Arbeitslosen gegenüber. Gerade andersrum ist es bei allgemeinen Büro- und Sekretariatskräften. Auf 100 offen Stellen kommen 252 Arbeitslose.
Die überschüssigen Sekretariatsmitarbeitenden auf IT- oder Ingenieur-Jobs zu versetzen, klappt nicht von heute auf morgen. Ist aber eine denkbare Lösung. Vor vier Jahren hat die Branche zu diesem Zweck die «MEM-Passarelle» geschaffen. Sie soll Quereinsteigern den Sprung in die Industrie ermöglichen. Gerade für Leute in wenig zukunftsfähigen Jobs lohne sich der Umstieg, schwärmt Studer. «Was ist schöner, als an einem Schweizer Spitzenprodukt zu arbeiten, das einmal im Weltraum zum Einsatz kommt?»
Ausländische Fachkräfte müssen einspringen
Neben Umschulungen und Weiterbildungen pocht Angestellte Schweiz auf die Digitalisierung: Wo keine Informatikerin gefunden wird, kann möglicherweise eine Maschine einspringen. Daneben sollen bestehende Fachkräfte übers Pensionsalter hinaus weiterarbeiten.
Aber ohne ausländische Hilfe wirds nicht gehen: «Das inländische Potenzial reicht nicht», stellt Studer klar. Angestellte Schweiz fordert, Geflüchteten schnell den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und ausländische Diplome unkompliziert anzuerkennen.