Was unser Land von der Produktion bis zur Spritze beiträgt
So viel Schweiz steckt in den Impfungen

Von der Produktion bis zur Spritze beim Arzt: In der Lieferkette der Corona-Impfung steckt viel Schweiz drin. Eine Spurensuche.
Publiziert: 19.12.2020 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2021 um 17:38 Uhr
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Altdorf UR: Sitz von Dätwyler. Die Firma stellt Gummi-Komponenten für Corona-Spritzen und Corona-Impfstoff-Ampullen her.
Foto: Keystone
Marc Iseli

Noch nie in der Geschichte des Landes gab es eine vergleichbare Übung: Die Schweiz soll durchgeimpft werden. Fast 16 Millionen Impfdosen hat der Bund gekauft. Eine dreistellige Millionensumme wird investiert. Das eigentliche Spektakel steht dem Land aber noch bevor: Die Logistik hinter der Impfaktion ist ein Kraftakt der Superlative, organisiert von der Armee und den Kantonen, begleitet von zahlreichen millionenschweren Verträgen.

Im Januar soll es losgehen. Das stellte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor wenigen Tagen in Aussicht. Eine Notfallgenehmigung für Impfstoffe ist in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern juristisch nicht erlaubt, eine rechtliche Grundlage dafür ist nicht vorgesehen, während die Zulassungsgesuche noch bearbeitet werden.

Heute Samstag dann die überraschende Meldung: Die Arzneimittelbehörde Swissmedic erteilt dem Biontech/Pfizer-Impfstoff die Bewilligung! Die Schweiz ist somit das erste Land Europas, dass die Zulassung des Impfstoffs erteilt. Es könnte jetzt sehr schnell gehen mit dem Start der grössten Impfaktion der Schweiz.

Unabhängig davon laufen die Vorbereitungen. Spitäler, Arztpraxen und Apotheken stellen sich auf die Jahrhundert-Aktion ein. Die Hoffnung im Kampf gegen das Virus ist gross. Das trägt unser Land von der Produktion bis zur Spritze bei.

Produktion im Wallis: Wo der Stoff entsteht

Am Anfang ist das Wallis. Im fünften Stock des neuen Manufacturing Complex 1 sind die Produktionsanlagen bereits eingebaut. Hier entsteht das Vakzin der US-Firma Moderna, Partner von Lonza. Knapp 400 Millionen Impfdosen kann der Schweizer Pharmazulieferer für die Amerikaner im Jahr produzieren. Kostenpunkt der Investition: 90 Millionen Franken. Das Vorhaben schafft 200 neue Jobs. Ein Teil konnte intern besetzt werden, zahlreiche Personen sind zusätzlich rekrutiert, aber noch immer gibt es offene Positionen.

Der Job garantiert Stabilität: Der Impfstoff von Moderna ist beliebt. Die Schweiz hat 7,5 Millionen Impfdosen geordert. Die Europäische Union weitere 160 Millionen. Swiss made. Denn es gibt, neben dem Ableger im Oberwallis, nur noch einen einzigen Standort, an dem Moderna produziert: in den USA. Aber nirgends sind die Kapazitäten höher als in Visp VS.

Geheime Armee-Logistik: Wo der Stoff lagert

Für die Feinverteilung des Impfstoffs sind die Kantone zuständig. Die Armee schaut aber, dass jeder einzelne Kanton mit Impfstoff beliefert wird. Welche Firmen beteiligt sind, ist geheim. Wo die Stoffe gelagert sind, bleibt unter Verschluss.

Eine Armee-Sprecherin äussert sich einzig zu den Kühlboxen, in denen der kostbare Impfstoff aufbewahrt wird. Es handele sich dabei um übergrosse Kühlschränke, sogenannte Ultratiefkühlgeräte. Eine «grössere Anzahl» davon habe die Armee beschafft und bereits teilweise installiert. Der Name des Herstellers bleibt auch unter Verschluss.

Tonnenweise Trockeneis: Wie der Stoff transportiert wird

Für den internationalen Transport ist unter anderen die Firma Cargologic zuständig. Die Bedingungen sind eisig. Der Impfstoff von Moderna wird bei Temperaturen von bis zu minus 80 Grad gelagert. Dafür werden riesige Kühlboxen mit Trockeneis gefüllt.

Der Bedarf an Trockeneis ist seit Ausbruch der Pandemie um 2500 Prozent gestiegen. «Der Abfertigungsprozess ist bis ins kleinste Detail durchgedacht, geprüft und auch getestet», sagt Geschäftsführer Marco Gredig (52) zu BLICK. «Wir sind bereit.» Und: «Wir rechnen in Zürich mit rund 4000 Tonnen Frachtumschlag im Jahr 2021.»

Tech-Kühlschrank: Wie der Stoff extreme Temperaturen überlebt

Kühlschränke für Pharmaprodukte sind heiss begehrt. In ihnen lagern die Impfstoffe über längere Zeit. Ein Hersteller: Skycell aus Zug. Die erst achtjährige Firma hat eine würfelförmige Box entwickelt, die den Impfstoff über lange Zeit ohne Trockeneis kühlt.

Das Produkt sorgt dank einer ausgeklügelten Metallisolation für die arktischen Temperaturen. Alles patentiert. Und extrem beliebt. Die sonnenverwöhnten Araber langten schon kräftig zu. Skycell unterzeichnete Ende November einen Vertrag zum Transport von über 1,8 Milliarden Impfdosen mit dem Emirat Abu Dhabi.

Spritzen: Wie der Stoff in die Venen kommt

In jeder dritten Corona-Spritze weltweit steckt eine Komponente der Innerschweizer Firma Dätwyler. Denn ohne helvetischen Gummi geht nichts beim Spritzen. Die Produktion läuft auf Hochtouren. «Dätwyler ist in alle wesentlichen Impfstoffprojekte involviert», so ein Sprecher.

Die Gummi-Komponenten sind systemkritisch. Sie dichten ab und schützen den Impfstoff. Ist das Produkt mangelhaft, ist die ganze Impfkette unterbrochen. Bei einem Riss der Dichtung ist der Impfstoff wertlos.

Das Glas selber kommt von der Firma Schott. Das Unternehmen ist deutsch, hat aber zwei helvetische Ableger, einen im waadtländischen Yverdon-les-Bains, einen in St. Gallen. Am Ostschweizer Standort arbeiten über 550 Personen. In den Produktionshallen entsteht ein beträchtlicher Teil der mehr als zehn Milliarden Ampullen Jahrespropduktion. Schott spricht von einem «Kompetenzzentrum».

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