«Vorzeitige Impfungen sind keine Lösung für die Schweiz»
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Nach den USA und der EU:Impfstoff für die Schweiz soll im Januar kommen

BLICK beantwortet die drängendsten Fragen
Schweiz ist bereit für die grösste Impfaktion der Geschichte

Es ist ein noch nie dagewesener Kraftakt, die grösste Impfaktion in der Geschichte der Schweiz. Seit Dienstag hat der Bund Impfstoff für 7,9 Millionen Menschen gesichert. BLICK gibt Antworten zu den drängendsten Fragen.
Publiziert: 09.12.2020 um 07:02 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2021 um 22:31 Uhr
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Margaret Keenan (90) ist als erste Patientin in Grossbritannien gegen das Coronavirus geimpft worden mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer.
Foto: keystone-sda.ch
Claudia Gnehm, Ulrich Rotzinger

Auch die Schweiz kommt einer Corona-Impfung näher. Mit 15,8 Millionen bestellten Dosen, von denen es zwei braucht, kann fast die ganze Bevölkerung geimpft werden. Es ist ein Riesenprojekt, bis der Impfstoff den Weg vom Hersteller in die Blutbahn der Einzelnen findet. Die Kantone stehen vor einem Kraftakt, der unzählige Fragen aufwirft.

Wieso impfen die Briten schon und wir nicht?
Die britische Aufsichtsbehörde für Arzneimittel hat dem Impfstoff von Biontech/Pfizer Anfang Monat eine Notfallzulassung erteilt, ohne alle Daten abzuwarten. Die Schweizer Swissmedic und die Europäische Arzneimittel-Agentur insistieren auf vollständigen Daten für eine ordnungsgemässe Zulassung. Die EU-Zulassung wird frühestens am 29. Dezember erwartet. Jene für die Schweiz Anfang 2021.

Was machen die Russen?
Die Russen wollten die Schnellsten sein und haben am Montag mit den ersten Corona-Impfungen, ausserhalb von Tests, angefangen. Allerdings fehlen noch viele Daten zur letzten Testphase.

Werden die Amerikaner schon im Dezember impfen?
Die USA könnten für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna jeden Tag eine Notzulassung vergeben. Allerdings ist das reguläre Treffen des zuständigen Komitees der US-Heilmittelbehörde (FDA) auf den 10. Dezember angesetzt. Frühestens dann wird die erste Notzulassung erwartet.

Wann startet die Schweiz mit den Corona-Impfungen?
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sollen die Impfungen in der Schweiz schon im Januar beginnen. Gemäss Aussagen in der «NZZ am Sonntag» von Virginie Masserey, BAG-Leiterin der Sektion Infektionskontrolle, sind im ersten Halbjahr 2021 bis zu 70'000 Impfungen pro Tag geplant.

Hat es genug Impfstoff für alle in der Schweiz?
Die Schweiz hat früh 4,5 Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffs bestellt. Am Dienstag wurden weiter 3 Millionen unter Vertrag genommen. Ebenfalls gesichert hat sich der Bund 5,3 Millionen von Astra Zeneca sowie 3 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer. Das würde bei zwei Impfungen pro Person für 7,9 Millionen Menschen reichen.

Vier Impfstoffe prüft die Swissmedic im rollenden Verfahren. Was ist der Vorteil des zuletzt angemeldeten von Janssen-Cilag?
Der Impfstoff der Johnson-&-Johnson-Tochterfirma braucht als einzige nur eine Einmaldosis. Er macht die Logistik auch einfacher, weil er bei zwei bis acht Grad gelagert und transportiert werden kann.

Wer kriegt die Impfung als Erstes?
Zuerst Risikogruppen und das Gesundheitspersonal. Es gibt noch keinen genauen Impfplan, weil das BAG die Verteilung von der Art des Impfstoffs abhängig macht.

Wirkt die Corona-Impfung bei Älteren?
Zwar spricht Moderna von einer Wirksamkeit bei Älteren. Allerdings ist bei den Corona-Impfstoffen von Moderna und Biontech/Pfizer nicht bekannt, welche Altersgruppen getestet wurden, welche Nebenwirkungen einzelne Gruppen hatten und auch nicht, wie lange die Immunität hält, wie Wolf-Dieter Ludwig von der Deutschen Ärzteschaft sagt.

Wie ist die Wirkung der Corona-Impfung bei Risikogruppen?
«Wir wissen nicht, ob überhaupt besonders gefährdete Personen getestet wurden», erklärt Ludwig. Es lägen erst Pressemitteilungen der Hersteller vor. Auch die Langzeitnebenwirkungen könne heute niemand beurteilen.

Kann man zwei verschiedene Impfstoffe nehmen, um sich besser zu schützen?
Laut Swissmedic kommt eine Kombination aktuell nicht in Frage.

Wie wird der Impfstoff verteilt?
Fünfzehn Milliarden Impfdosen müssen weltweit verschoben werden. Ein Bruchteil davon auch in die Schweiz. Die Flughäfen Zürich und Basel sind für die Abfertigung zertifiziert. Minustemperaturen von bis zu Minus 80 Grad müssen bei manchen Impfstoffen eingehalten werden. Das Unternehmen Cargologic sichert etwa am Flughafen Zürich die Einhaltung der Kühlkette.

Wo wird er gelagert und wie gelangen die Impfdosen zur Bevölkerung?
Der Lagerort ist streng geheim. Die Beschaffung läuft über die Armeeapotheke, sie ist auch für die Verteilung an die jeweiligen Kantone zuständig. Jeder Kanton organisiert selbst, wie die Impfdosen unter Einhaltung der Kühlkette schliesslich zu den Arztpraxen und Impfzentren gelangen. Bisher bestätigten erst wenige wie Zürich, Basel-Land und Nidwalden, dass sie im Januar bereit seien. Als Impfzentren kommen Sporthallen, Messezentren, Kantonsspitäler und Zivilschutzanlagen in Frage.

Wie kann ich nachweisen, dass ich gegen Corona geimpft habe?
Eine Corona-Impfung wird in der Schweiz in den Impfausweis («Impfbüechli») eingetragen. Damit kann eine in der Schweiz geimpfte Person ihre Impfung bestätigen. Der Eintrag kann auch in den internationalen (gelben) Impfausweis eingetragen werden.

Was kostet die Impfung?
Für die Bevölkerung ist die Impfung gratis.

Das Pflegepersonal soll an zweiter Stelle geimpft werden, ist aber nicht sehr impfwillig. Braucht es für diese Berufsgruppe ein Impfobligatorium?
Der Bund will kein Impfobligatorium. Theoretisch könnten Spitäler das Impfen zur Pflicht machten, aber sie dürften davon absehen, da das Pflegepersonal knapp ist. Die Geschäftsleiterin des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), Yvonne Ribi, sagt, es sei noch zu früh, um eine Impfempfehlung auszusprechen.

Was braucht es, dass das Vertrauen des Pflegefachpersonals in die Corona-Impfung möglichst hoch ist?
Wichtig ist laut Ribi, dass Fakten zu den zugelassenen Impfstoffen veröffentlicht werden, sodass das Gesundheitspersonal auf dieser Basis einen professionellen Entscheid fällen kann. Sie betont: «Öffentlicher Druck wirkt hingegen kontraproduktiv, denn letztlich ist ein Impfentscheid ein persönlicher Entscheid.»

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