Foto: Philippe Rossier

Berner Impfstoffentwickler setzt auf bewährte Technik
Vom Schweizer Hoffnungsträger auf die hinteren Ränge

Im April hoffte die Schweiz auf einen Corona-Impfstoff aus Bern. Daraus wurde nichts, andere waren schneller. Der Grund: Immunologe Martin Bachmann setzte auf bewährte Impftechnologien, doch die brauchen mehr Zeit.
Publiziert: 01.12.2020 um 06:23 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2020 um 16:06 Uhr
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Der Corona-Impfstoff, den Martin Bachmann, Leiter Bereich Immunologie am Unispital Bern, entwickelt, befindet sich noch in der vorklinischen Phase, wurde also noch nicht offiziell an Menschen getestet.
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Claudia Gnehm

Er war für die Schweiz ein Hoffnungsträger während des Lockdowns im Frühling. Sogar Gesundheitsminister Alain Berset (48) besuchte den Immunologen Martin Bachmann (52) vom Berner Inselspital. Bis im Oktober wollte er 10 Millionen Dosen von seiner Impfung gegen Covid-19 herstellen. Sein Impfstoff zählte für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu den Kandidaten, mit denen bereits im Forschungsstadium ein Kauf-Vorvertrag erwogen wurde.

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«Doch drei Tage vor Vertragsabschluss machte das BAG einen Rückzieher», sagt Bachmann dem BLICK nach monatelangem Schweigen. BAG-Sprecher Daniel Dauwalder erklärt die Absage: Um für eine BAG-Unterstützung in Frage zu kommen, hätten die Schweizer Impfstoff-Kandidaten Pläne vorlegen müssen, wie die frühen klinischen Phasen I und II noch in diesem Jahr abgeschlossen werden könnten. «Aufgrund der von der Gruppe um Martin Bachmann eingereichten Pläne wurde deutlich, dass sie diesen Zeithorizont nicht einhalten kann», führt er aus. Deshalb sei der Impfstoff nicht weiterverfolgt worden.

Rückstand der klassischen Impfstoffe erwartet

Inzwischen haben Konkurrenten ihre Kandidaten in Windeseile durch die drei klinischen Testphasen gepeitscht. Mindestens drei Impfstoffe stehen kurz vor der Marktzulassung. Gemäss der Weltgesundheitsbehörde (WHO) befinden sich rund 50 Impfkandidaten in der klinischen Phase. Dagegen liegt Bachmanns Impfstoff weit abgeschlagen an sechstletzter Stelle auf der WHO-Liste der 150 Kandidaten, die noch in der vorklinischen Phase stecken.

Dass sein Impfstoff abgehängt wurde, überrascht Immunologe Bachmann nicht. «Die Staaten haben praktisch nur neue, allerdings auch unerprobte Impfstoff-Typen unterstützt», sagt er. Die neuen hätten die klinische Phase aus technischen Gründen und wegen milliardenschwerer Unterstützung viel schneller erreicht als die Klassiker.

Mit klassischen Impfstoffen meint er solche, die auf Eiweiss-Proteinen basieren – wie zum Beispiel die klassische Grippe-Impfung. Eine Technologie also, die seit Jahren an Milliarden Menschen erprobt worden sei.

Der Nachteil: Es dauere länger, um sie zuzulassen, weil es mehr Daten brauche als bei modernen, virusbasierten Impfstoffen. «Es wird mit ungleichen Ellen gemessen», kritisiert Bachmann. Dabei gebe es von den neuartigen Impfstoffen bisher keine vollständigen klinischen Testresultate.

Noch keine modernen Impfstoffe auf dem Markt

Tatsächlich gibt es auf dem Markt noch keine zugelassenen Impfstoffe mit der mRNA-Technik der US-Firma Moderna. Mit dieser Firma hat der Bund einen Vertrag abgeschlossen. Bachmann zählt aber auch die Impfstoffe, die auf Adenoviren basieren, zu den «nicht bewährten». Dazu gehören jene von AstraZeneca oder Johnson & Johnson.

Die ersten Impfstoffe mit dieser Technik wie jene von Johnson & Johnson gegen Ebola wurden erst im Sommer für den EU-Markt beschleunigt zugelassen. Das Unternehmen bestätigt auf Anfrage, dass noch nicht alle Studien abgeschlossen seien, sodass der Impfstoff von der WHO noch nicht offiziell empfohlen werde.

Moderne Impfstoffe würde Bachmann höchstens Älteren empfehlen

Könnten die derzeit ersten Impfstoffe im Wettrennen am Ende die letzten sein? «Nein, es ist nicht wie in der Bibel», antwortet Bachmann. «Die Ersten werden die Ersten sein! Die Letzten werden es deswegen vielleicht nie schaffen, obwohl sie wohl zahlreiche Vorteile hätten», so seine Prognose.

Der Bund habe leider nichts unternommen, um die Entwicklung des Impfstoffs aus der Schweiz zu unterstützen. Allerdings seien die im Frühling vorgeschlagenen Impfstoffe klassischer Natur gewesen und deshalb von Anfang an langsamer, räumt der Immunologe ein. Weiterforschen an seinem Impfstoff will Bachmann trotzdem: «Wir sind immer noch dabei, ein Teil der zweiten Generation von klassischen Impfstoffen zu werden.»

Kommt für ihn selbst ein mRNA-Impfstoff von Moderna oder Biontech/Pfizer in Frage? «Ich würde mich nicht mit einem mRNA-Impfstoff impfen lassen, meine über 80-jährigen Eltern aber schon», sagt der Immunologe. Bei ihnen falle die Risiko-Nutzen-Abwägung anders aus. Seine Eltern würden alles geben, um wieder ein normales Leben führen zu können. Er aber habe ein relativ normales Leben – und sei so oder so mit seinem eigenen Impfstoff immunisiert.

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