Es heisst, bei den Schotten lernt man das Sparen. «Das ist nicht nur Klischee, sondern Tatsache», sagt Janie Bisset (44). «Auch ich überlege mir genau, wofür ich mein Geld ausgebe.» Aufgewachsen im Norden Schottlands, studiert in der schottischen Hauptstadt Edinburgh, erster Job bei der schwedischen Möbelkette Ikea im Alter von 22. Heute, 22 Jahre später, trifft Blick Bisset am Firmensitz in Spreitenbach AG. Seit sechs Monaten führt sie die Geschäfte von Ikea Schweiz, hat sämtliche Jobs ihrer Angestellten selbst gemacht und einige in ihrem Zuhause besucht.
Blick: Janie Bisset, was ist Ihr erster Eindruck von der Schweiz?
Janie Bisset: Ich bin erstaunt, wie präzise alles bei euch organisiert ist. Das fängt beim öffentlichen Verkehr an und geht bis zum Recycling in den Haushalten. Alle meine Mitarbeitenden kommen pünktlich zu den Sitzungen. Auch das war ich nicht gewohnt. In Schottland ist man weniger effizient. Und ihr habt eine sehr hohe Qualität in allen Lebensbereichen.
Wie steht es mit Heimweh?
Ich vermisse noch ein wenig die Strände im Norden von Schottland. Fish and Chips an Freitagabenden mit Freunden. Die wunderschöne Landschaft der Schweiz, wenn der Himmel dazu noch blau ist, gibt mir aber ein Gefühl, zu Hause zu sein.
Sie selbst haben in der Schweiz in Ikea-Uniform Kunden beim Self-Checkout bedient, unzählige Gespräche mit Angestellten in der Logistik und den Läden geführt. Was beschäftigt die Leute derzeit am meisten?
Alle Menschen haben weniger Geld zur Verfügung als noch vor einem Jahr. Sei es wegen höherer Krankenkassenprämien, Mieten oder der Inflation ganz allgemein. Meine schottischen Wurzeln, der sorgsame Umgang mit Geld, helfen mir gerade sehr, um mich in die Gemütslage der Menschen hier in der Schweiz einzufühlen.
Mehr zum Möbelmarkt
Darum werben Sie derzeit so offensiv mit Preissenkungen?
Unsere Kundinnen und Kunden sollen wissen, dass sie ein bisschen mehr sparen können, wenn sie bei uns einkaufen. So werden wir in diesem Geschäftsjahr bei über 2000 Produkten die Preise senken. Wir wollen für die Menschen da sein, die sich nun weniger leisten können.
Das klingt nach einem Werbespot.
Ich meine das ernst. Die Preissenkungen nehmen wir auf unsere Kappe, steuern diese über dünnere Margen. Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit, in der Unternehmen ihre Gewinne optimieren sollten.
Dann nehmen Sie auch ein tieferes Firmenresultat in Kauf?
Wir haben im vergangenen Jahr ein Rekordergebnis erzielt. Ich bin zuversichtlich, dass wir im laufenden Geschäftsjahr weiter wachsen werden, Marktanteile und neue Kunden gewinnen können. Und das, obwohl die Schweizer Möbelbranche hart umkämpft ist.
Ikea wirbt mit tiefen Preisen, will aber gleichzeitig umweltfreundlicher werden. Wie soll das gehen, ohne, dass Kunden draufzahlen?
Wir haben eine Kundenbefragung durchgeführt. Die grosse Mehrheit sagt, Nachhaltigkeit sollte nicht nur Luxus für eine Elite sein, und dass ihr die Umwelt wichtig ist. Aber nur sechs Prozent der von uns Befragten sind bereit, für ökologisch produzierte Produkte mehr Geld auszugeben. Folglich müssen wir mehr Produkte und Dienstleistungen entwickeln und verfügbar machen, die nicht nur besser für die Umwelt sind, sondern gleichzeitig für die Kundschaft nicht mehr kosten.
Die Schottin Janie Bisset (44) ist seit Oktober 2023 Chefin von Ikea Schweiz. Gleichzeitig trägt sie die Verantwortung für Nachhaltigkeit im Unternehmen, das seinen Schweizer Sitz in Spreitenbach AG hat. Mit der Neueröffnung im Wallis betreibt Ikea hierzulande zehn Einrichtungshäuser. Diese erzielten im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 1,28 Milliarden Franken. Bisset verbrachte ihre gesamte Berufslaufbahn beim schwedischen Möbelriesen, zuletzt als Länderverantwortliche für alle Ikea-Einrichtungshäuser in Westkanada. Bisset wohnt mit ihrem Ehemann Steve, den Teenagern Ivy und Aiden sowie den Hunden Meg und Max (Border Terrier) in der Nähe von Basel. Zeichnen, Wohndesign und viel Bewegung draussen in der Natur sind ihre grossen Leidenschaften.
Die Schottin Janie Bisset (44) ist seit Oktober 2023 Chefin von Ikea Schweiz. Gleichzeitig trägt sie die Verantwortung für Nachhaltigkeit im Unternehmen, das seinen Schweizer Sitz in Spreitenbach AG hat. Mit der Neueröffnung im Wallis betreibt Ikea hierzulande zehn Einrichtungshäuser. Diese erzielten im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 1,28 Milliarden Franken. Bisset verbrachte ihre gesamte Berufslaufbahn beim schwedischen Möbelriesen, zuletzt als Länderverantwortliche für alle Ikea-Einrichtungshäuser in Westkanada. Bisset wohnt mit ihrem Ehemann Steve, den Teenagern Ivy und Aiden sowie den Hunden Meg und Max (Border Terrier) in der Nähe von Basel. Zeichnen, Wohndesign und viel Bewegung draussen in der Natur sind ihre grossen Leidenschaften.
Können Sie Beispiele dafür geben?
Wir nehmen gebrauchte Ikea-Produkte zurück, was in der Schweiz sehr gut funktioniert. Diese möbeln wir dann auf und bringen sie wieder in den Verkauf – zu günstigeren Preisen. Zudem floriert der Verkauf von Ikea-Produkten auf anderen Secondhandplattformen. Beim Sortiment setzen wir vermehrt auf ressourcen- und energieeffiziente Produkte, zum Beispiel bieten wir nur noch wiederaufladbare Batterien an, haben Wassersparaufsätze und Solaranlagen im Angebot. Und wir achten in der Entwicklung von Produkten verstärkt darauf, dass sie auf intelligente Weise zerlegt und recycelt werden können.
Ikea ist ein weltweit führender Möbelhersteller. Trotz des massiven Verbrauchs von Holz wirbt Ikea mit Umweltbewusstsein. Zu recht?
Der Holzverbrauch und eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung sind sehr wichtige Themen für uns. Unsere Hölzer sind FSC-zertifiziert und können auf der Ikea-Website zurückverfolgt werden. Wir pflanzen mehr Bäume, als wir fällen, das ist wichtig. Wir möchten auch noch in 100 Jahren bestehen, und dafür brauchen wir ein funktionierendes Ökosystem und gesunde Wälder.
Ein Recherchenetzwerk hat klar Verbindungen aufgedeckt zwischen Ikea und einer intensiven, unkontrollierten Holzproduktion, zum Beispiel in Rumänien!
Sie sprechen von dieser Arte-Dokumentation. Wir haben die Vorwürfe mit den Teams im Land gründlich untersucht. Wir sind jedoch nicht der Ansicht, dass dieser Dokumentarfilm einer korrekten oder fairen Darstellung unserer Praktiken entspricht. Wir halten uns an Vorschriften und Gesetze.
Wie können Sie ausschliessen, dass Ikea Holz verwendet, das ohne Kontrolle abgeholzt wurde?
Unsere Massnahmen wie IWAY sichern die Kontrolle auch über die Holzeinkäufe. Dieser Verhaltenskodex für Lieferanten legt klare Erwartungen und Arbeitsweisen bezüglich umwelttechnischer, sozialer und Arbeitsbedingungen fest. Er ist für alle Lieferanten und Dienstleister bei Ikea bindend – auch für jene in Rumänien oder Polen. Wir führen regelmässig Kontrollen durch, nehmen jeden Hinweis auf Fehlverhalten sehr ernst und gehen dem gründlich nach.
Apropos begrenzte Ressourcen: Nach langer Zeit eröffnet Ikea Mitte April wieder ein grosses Einrichtungshaus in der Schweiz.
Richtig, am 17. April. Die Eröffnung des neuen Einrichtungshauses in Riddes im Kanton Wallis ist tatsächlich nur eine von zwei Ikea-Eröffnungen weltweit in diesem Jahr. Die Schweiz geniesst darum eine grosse Aufmerksamkeit im Konzern und in der Branche.
Was unterscheidet die Walliser Ikea von anderen Schweizer Ikeas?
Dieses Einrichtungshaus ist das Nachhaltigste in der Schweiz. Wir verfolgen hier den Zero-Waste-Ansatz. Keine Abfälle, 100 Prozent erneuerbare Energie dank einer riesigen Solaranlage auf dem Dach, 22 Ladestationen für E-Fahrzeuge ...
... und ein Sortiment, das voll auf Ferienwohnungsbesitzer zugeschnitten ist?
Tatsächlich ist das Potenzial von Ferienwohnungen und Chalets, insbesondere solcher, die aufgemöbelt werden müssen oder leer stehen, immens gross im Kanton Wallis. Zudem hat die Region gerade ein hohes Bevölkerungswachstum. Grundsätzlich sind die Sortimente schweizweit aber gleich – damit die Walliser nicht wie bisher in andere Kantone fahren müssen, um ihre Ikea-Produkte zu testen und kaufen. Und soll ich Ihnen noch etwas verraten?
Bitteschön.
Wir hatten über 5000 Bewerberinnen und Bewerber für das Einrichtungshaus in Riddes. Wir konnten aber nur 200 Stellen vergeben. Auch das zeigt, welchen Stellenwert unsere Marke in dieser Region hat.
Dann bleiben die grossen Ikea-Häuser samt Hotdog für 1.50 Franken entscheidend für Ikea?
Aus finanzieller Sicht ist es tatsächlich so. Unsere Möbelhäuser mit ihrer grossen Verkaufsfläche bleiben das Zentrum unseres Geschäfts. Eine elfte Ikea-Filiale ist derzeit aber nicht geplant. Künftig setzen wir vermehrt auf den Ausbau neuer Formate, um näher bei den Leuten zu sein. Dazu gehören Abholstellen in Chur oder weitere sogenannte «Plan & Order Points» in den Innenstädten.