Viagogo-Abzocke im Berner Eishockey-Derby
Blick-Leserin Sara Bärtschi (21) bezahlt Vermögen für Tickets – und muss stehen!

Die Ticketverkaufsplattform Viagogo ist Konsumentenschützern wegen ihrer überrissenen Preise schon lange ein Dorn im Auge. In der entscheidenden Phase vor den Playoffs macht sich das aktuell auch im Schweizer Eishockey bemerkbar.
Publiziert: 28.02.2023 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2023 um 14:58 Uhr
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Die SCL Tigers haben noch zwei Partien, um vom Playout-Platz wegzukommen.
Foto: keystone-sda.ch
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Sara Bärtschi (21) aus Langenthal BE ist grosser Eishockey-Fan, will sich diese Woche das Kantons-Derby zwischen den SCL Tigers und dem SC Bern in der Ilfishalle in Langnau BE ansehen. Zwei Runden vor Schluss der Regular Season steht Langnau in der Tabelle auf dem zweitletzten Platz – und kämpft damit gegen den Abstieg.

Jeder Punkt zählt, um noch einen Platz vorzurücken und die Playouts zu umgehen. Kein Wunder sind die Tickets für den Match am Donnerstag heiss begehrt. Sara Bärtschi googelt – und stösst auf Viagogo, eine berüchtigte Wiederverkaufsplattform für Tickets zu Konzerten, Sportveranstaltungen und anderen Events.

Fünffacher Preis und falsche Ticketkategorie

«Ich habe dort schon mal Tickets bestellt und gute Erfahrungen gemacht, also griff ich zu», erzählt Bärtschi. Satte 257 Franken bezahlt sie für zwei Sitzplätze. Als ihr die Tickets zugeschickt werden, der Schock: Es handelt sich um Stehplätze – die im Original gerade einmal 25 Franken gekostet hätten!

Bärtschi bezahlt das Fünffache des Preises und muss erst noch stehen. «Wenn ich Sitzplätze kaufe, dann will ich auch sitzen», betont die junge Frau.

«Ich fühle mich hintergangen»

Sie meldet sich bei Viagogo, füllt mehrfach ein Kontaktformular aus – ohne Erfolg. Nach mehreren Tagen Wartezeit greift Bärtschi zum Telefon und schafft es, jemanden vom Kundendienst an den Draht zu kriegen. «Aber die Person hat mir nicht einmal zugehört», erzählt sie.

Bärtschi erhält eine schriftliche Rückmeldung von Viagogo, in der es in kaum verständlichem Kauderwelsch heisst, dass man beim Kauf von Sitzplätzen nicht zwangsläufig sitzen könne. «Warum verkauft man die Tickets dann als Sitzplätze?», fragt sich Bärtschi. «Ich fühle mich hintergangen.»

Konsumentenschutz kämpft gegen Viagogo

Bärtschi ist längst kein Einzelfall: Immer wieder tappen nichtsahnende Sport- oder Musik-Fans in die Viagogo-Falle. Die Fälle machen zwar regelmässig Schlagzeilen, die Plattform hat einen schlechten Ruf. «Aber viele Leute merken gar nicht, dass sie bei Viagogo bestellen», sagt Sara Stalder (56), Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz.

Das britische Portal – mit offiziellem Hauptsitz in Genf – bezahlt viel für eine gute Platzierung in den Google-Suchresultaten. Die Kundschaft wird systematisch getäuscht, ist Stalder überzeugt. Vor zwei Jahren reichte die Stiftung für Konsumentenschutz gar Strafanzeige gegen Viagogo ein, weil die Plattform angeblich Tickets für Veranstaltungen verkaufte, die Pandemie-bedingt gar nicht stattfanden. Das Verfahren ist noch hängig.

Stalder fordert personalisierte Tickets und eine offizielle Wiederverkaufsplattform der Schweizer Ticketverkäufer. Ticketcorner betreibt mit Fansale bereits eine solche Plattform – die SCL Tigers verkaufen ihre Billets aber nicht über Ticketcorner, sondern über den US-Anbieter Ticketmaster. Und genau da liegt das Problem: «Es sollte nicht jede Plattform ihr eigenes Süppchen kochen, sondern es braucht ein allgemeines und damit breit bekanntes Wiederverkaufsportal», fordert Stalder.

Derby ist gar nicht ausverkauft

«Wir distanzieren uns von Viagogo», betont auch Simon Laager (40), Geschäftsführer der SCL Tigers und verweist auf die offiziellen Verkaufskanäle. Das Derby vom Donnerstag ist nämlich noch gar nicht ausverkauft. Auf der offiziellen Ticketplattform gibt es – Stand Dienstagnachmittag – noch rund 300 Stehplätze à 25 Franken. Sogar einzelne Sitzplätze sind noch zu haben.

Viagogo selber weist die Verantwortung für Sara Bärtschis überteuerte Tickets auf Anfrage zurück. «Nicht Viagogo bestimmt die Ticketpreise – die Verkäufer, die unseren Marktplatz nutzen, legen ihre eigenen Preise fest», heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Genau daran zweifeln Konsumentenschützer allerdings. Sie vermuten, dass Viagogo selber Tickets für Veranstaltungen ein- und dann weiterverkauft. Belege dafür gibt es allerdings nicht.

Auch dafür, dass Bärtschi stehen muss, obwohl sie einen Sitzplatz gekauft hat, will Viagogo nicht verantwortlich sein. «Der Verkäufer hat es versäumt, darauf hinzuweisen, dass die Karten für den Stehplatzbereich sind», heisst es nur.

Gibt es doch noch eine Wiedergutmachung?

Nach der Blick-Anfrage hat sich Viagogo mit Bärtschi in Kontakt gesetzt. Möglich, dass sie kurzfristig doch noch eine Rückerstattung oder neue Tickets erhält.

Bärtschi drückt am Donnerstag den SCL Tigers die Daumen. Sollten die Tigers gegen Bern gewinnen, wäre das immerhin eine kleine Wiedergutmachung für den viel zu hohen Ticketpreis.

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