Verlierer, Profiteure, Sorgenkinder
Diese Folgen hat der rekordschwache Euro für die Schweiz

Der Franken-Euro-Kurs liegt auf einem Allzeit-Tief. Bei den Exporteuren leiden die Margen. Warum der Hilferuf aus der Industrie bisher ausbleibt.
Publiziert: 23.09.2022 um 18:24 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2022 um 14:46 Uhr
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Der starke Franken frisst der Schweizer Exportindustrie die Margen weg.
Foto: Keystone
Martin Schmidt

Der Euro befindet sich gegenüber dem Schweizer Franken auf Talfahrt. Zurzeit ist ein Euro nur noch gut 0.95 Franken wert. Für Schweizerinnen und Schweizer, die im Euroraum in die Ferien wollen, ist es eine gute Neuigkeit. Sie können sich mit dem harten Franken im Ausland mehr leisten, spüren vor allem die horrende Teuerung im Euroraum weniger als die lokale Bevölkerung.

Für die Schweizer Exportindustrie ist der Kurszerfall des Euros jedoch höchst unerfreulich. Denn er drückt auf ihre Margen. Und die harten Zeiten stehen womöglich erst noch bevor: Viele Analysten rechnen damit, dass der Euro weiter einbricht.

Zum Jahresanfang kostete der Euro noch 1.04 Franken und hat damit also gut neun Prozent eingebüsst. Trotzdem ist der Aufschrei aus der Industrie bisher ausgeblieben. Eine der Betroffenen ist die Firma Rieter mit Sitz in Winterthur ZH. Sie baut Maschinen für die Textilbranche und kann im Euroraum nur mit Preissenkungen konkurrenzfähig bleiben. «Wir müssen die Aufwertung des Frankens mit Preissenkungen ausgleichen», sagt Firmensprecherin Relindis Wieser zu Blick. Damit Rieter diese Einbussen auffangen kann, investiere der Konzern laufend in Innovationen. «Wenn wir unsere Produkte ständig verbessern, hilft uns das, im Konkurrenzkampf besser bestehen zu können», so Wieser.

Firmen haben aus der Eurokrise gelernt

Rieter kann das Währungsrisiko zu einem grossen Teil aber auch über natürliches Hedging absichern. Der Konzern betreibt knapp 30 Produktionsstätten in über 20 Ländern und kann vor Ort in der lokalen Währung produzieren, ohne dass der starke Franken eine Rolle spielt. Mit seiner internationalen Expansion hat der Konzern seine Abhängigkeit vom Euro-Franken-Kurs in den letzten zehn Jahren massiv reduziert.

Diesen Weg sind auch viele andere Mittelstandsunternehmen und Konzerne in der Schweiz gegangen, nachdem der Franken-Euro-Kurs in der Eurokrise vor über zehn Jahren einen beispiellosen Einbruch erlebt hatte. Ende 2007 kostete die Gemeinschaftswährung noch 1.67 Franken, im Herbst 2011 waren es gerade noch 1.04 Franken. Damals führte die Schweizerische Nationalbank zur Stützung der Exportindustrie für knapp dreieinhalb Jahre einen Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro ein – und verschaffte der Wirtschaft so die nötige Verschnaufpause zur Anpassung.

Industrie hat derzeit grössere Probleme

Der Schweizer Exportindustrie helfe derzeit zudem, dass die Inflation hierzulande weniger als halb so hoch ist wie in der Eurozone, sagt Claude Maurer (47), Chefökonom Schweiz bei der Credit Suisse, zu Blick: «Die hierzulande tiefere Teuerung hilft den Exporteuren, da sie einen Teil des wechselkursbedingten Nachteils im Preiswettbewerb mildert.» Wegen der höheren Teuerung im Ausland können die Schweizer Firmen im Euroraum höhere Preise verlangen. Deshalb liegt der reale Wechselkurs bei knapp 1.15 Franken pro Euro, ganz im Gegensatz zum nominalen Wechselkurs von 0.95 Franken.

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Dass der Aufschrei in der Industrie derzeit ausbleibt, hat aber noch weitere Gründe, wie der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) betont. «Der starke Franken ist nur ein Problem unter vielen. Die Industrie hat aktuell viel drängendere Sorgen wie die hohen Rohstoffpreise und die massiven Anstiege bei den Energiepreisen, die den Firmen die Margen wegfressen», sagt Ivo Zimmermann, Kommunikationschef bei Swissmem. «Derartige Kostenschübe können viele Firmen nicht einfach und schnell auf ihre Kunden überwälzen», führt er aus.

Stadler Rail leidet unter dem starken Franken

Die CPH Chemie + Papier Holding AG mit Sitz in Root LU bestätigt dieses Bild. Der Konzern ist in der Produktion und im Vertrieb von Chemikalien und Papieren tätig und leidet aktuell deutlich stärker unter den hohen Preisen für Papier, Energie und Hilfsstoffe. «Der Franken ist also nicht unser grösster Sorgenfaktor», sagt Firmensprecher Christian Weber.

Zurzeit sind es erst wenige Firmen, denen der starke Franken richtig zusetzt. Prominentestes Beispiel ist der Zugbauer Stadler Rail mit Sitz in Bussnang TG. Währungsverluste haben das Konzernergebnis im ersten Halbjahr mit 62,1 Millionen Franken belastet. Das liegt vor allem an den langfristigen Aufträgen, die der Konzern zum aktuellen Euro-Franken-Kurs neu bewerten musste.

Importeure profitieren vom Franken

Sobald die Probleme mit der Teuerung bei Energie und Rohstoffen abnehmen, dürfte der Euro-Franken-Kurs aber wieder stärker in den Fokus rücken, ist Zimmermann von Swissmem überzeugt. Die schwierige Schuldensituation in einigen Euroländern wie beispielsweise Italien wird den Euro in den nächsten Monaten weiterhin unter Druck setzen. Bei der Credit Suisse geht man davon aus, dass sich der Franken auf 0.93 pro Euro aufwertet. Andere Prognosen gehen gar von einem Kurs von 0.90 Franken und tiefer aus.

Doch es gibt in der Schweiz auch Profiteure des starken Frankens. Importorientierte Firmen können ihre Produkte im Ausland günstiger einkaufen. Bei einem jährlichen Importvolumen von fast 300 Milliarden Franken kommt hierbei ganz schön was zusammen. Ob sie die günstigeren Einkaufspreise auch an ihre Kunden weitergeben, ist wiederum ein ganz anderes Thema.

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