Peter Spuhler (63) hat allen Grund, frustriert zu sein. Der Chef von Stadler Rail spricht bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am Mittwochmorgen zwar von einem «vollen Erfolg»: «Wir hatten noch nie ein so starkes Ergebnis.» Trotzdem kann er unter dem Strich nur einen läppischen Gewinn von 2,4 Millionen Franken präsentieren.
Dem Schweizer Vorzeige-Zugbauer mit Sitz in Bussnang TG setzen die Inflation, Währungsverluste und Lieferkettenprobleme arg zu. «Wir leben aktuell in einer schwierigen Phase. Diese Kombination hat für uns einen toxischen Cocktail ergeben», erklärt Spuhler die angespannte Lage.
«Keine Auslagerung aus der Schweiz»
Wie von Bankanalysten erwartet, werfen Stadler Rail vor allem die Währungsverluste aus der Bahn. Der starke Franken macht die Schweizer Fabriken immer teurer und belastet das Konzernergebnis mit 62,1 Millionen Franken.
Stadler Rail leidet unter der Frankenstärke deutlich stärker als andere Schweizer Konzerne. Die Auftragsbücher sind mit 21,7 Milliarden zwar so voll wie noch nie, doch die Aufträge laufen über mehrere Jahre und sind von Währungsschwankungen und der Teuerung besonders stark betroffen. «Bei schätzungsweise 70 Prozent dieser Verträge sind die Preise fix», sagt Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler (47) zu Blick. In allen anderen Fällen können die steigenden Material- und Lohnkosten nicht an die Auftraggeber weitergegeben werden.
Der starke Franken dürfte Stadler Rail noch länger beschäftigen. Der Konzern könnte das Problem mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland abmildern. «Es findet keine Auslagerung aus der Schweiz statt», betont eine Konzernsprecherin auf Anfrage von Blick. Die rund 1700 Angestellten in der Schweiz scheinen sich aktuell also noch keine Sorgen machen zu müssen.
Werk in Weissrussland heruntergefahren
Wegen der hohen Inflation in Europa musste Stadler Rail bereits die Löhne im spanischen Werk erhöhen. Zudem bereiten dem Konzern auch die Lieferketten Probleme.
Und dann wäre da noch das grosse Stadler-Werk in Fanipol in Weissrussland, das das Ergebnis trübt. Die dortige Produktion sei aufgrund der Sanktionen gegen das Land inzwischen praktisch eingestellt worden, sagt Spuhler. Von den rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Fanipol sind nur noch wenige übrig. Ein Drittel arbeitet inzwischen in anderen Werken. Ein Drittel konnte an andere Arbeitgeber vermittelt werden. Die restlichen Angestellten wurden entlassen.
Die Anleger hatten in den letzten Wochen bereits befürchtet, dass Stadler Rail sein Gewinnziel deutlich verfehlen wird. So war der Aktienkurs zwischenzeitlich auf unter 29 Franken auf ein Allzeittief abgesackt. Spuhler gelang es an der Konferenz, die Sorgen der Anleger und Analysten zumindest teilweise zu zerstreuen. Der Aktienkurs zog wieder etwas an.
Bernsteiner löst Spuhler als CEO ab
Dies, obwohl Peter Spuhler zum zweiten Mal in Folge sein mittelfristiges Margenziel nach unten korrigieren musste. Das einstige Ziel, eine Marge von 8 bis 9 Prozent zu erreichen, ist in weite Ferne gerückt.
Spuhler wird seinen Posten als Interim-Chef im kommenden Jahr an Markus Bernsteiner (55) übergeben – und sich auf seine Tätigkeiten als Verwaltungsratspräsident konzentrieren. Bernsteiner ist seit 1999 beim Konzern und aktuell stellvertretender Chef der Stadler-Gruppe. Ihn erwartet mit den vielen Problemen eine gewaltige Aufgabe.
Raiffeisen-Analyst Geissbühler sieht die Zukunft von Stadler Rail aber optimistisch: «Mit Blick auf den Klimawandel und den Ausbau der CO₂-neutralen Bahninfrastruktur sowie auf die vollen Auftragsbücher dürften auch wieder bessere Zeiten auf Stadler Rail zukommen.»